Post. 95
übrigen Funktionen, insbesondere die Anstellung der unteren Beamten, den Einzel-
staaten zustehen; eine Sachlage, die nur dadurch wieder zu Gunsten der postalischen
Einheit alterirt wird, als es den Einzelstaaten in der Reichsverfassung ausdrücklich
freigestellt ist, wie hinsichtlich der militärischen, so auch hinsichtlich der postalischen
Befugnisse besondere Verträge abzuschließen, in Folge deren dann die meisten Staaten
die selbständige Ausübung dieser Befugnisse auf Preußen übertragen haben. Preußen
endlich hat die gesammte Verwaltung des ihm vertragsmäßig oder sonst zustehenden
P. wesens durch Erlaß vom 28. Sept. 1867 auf den Ministerpräsidenten übertragen,
so daß bei der Identität desselben mit dem Reichskanzler eine Trennung zwischen der
Preußischen und der Reichspost vollständig beseitigt ist.
4) Die Regelung des Reichspostwesens ist auf Grund des Abschnitts VIII. der
Reichsverf. (Art. 48 ff.) zuerst durch das P.gesetz des Nordd. Bundes vom 2. Nov.
1867 erfolgt, welches im Wesentlichen dem Preuß. P.gesetze von 1852 nachgebildet
war, und sich hauptsächlich auf das P.regal, die Ersatzpflicht, die postalischen Vor-
rechte, die P.kontraventionen und deren Bestrafung erstreckt. An die Stelle desselben
ist dann seit der Begründung des Reichs das Reichspostgesetz vom 28. Okt. 1871
getreten, welches von dem früheren Gesetze nur unwesentlich abweicht. Daneben
kommt noch das Gesetz über das P.taxwesen vom 28. Okt. 1871, modifizirt durch die
P.taxnovellen vom 1. Juni 1873 und 3. Nov. 1874 in Betracht. Das sog. P.-Eisen-
bahngesetz vom 20. Dezbr. 1875 ist schon in dem Art. Eisenbahngesetzgebung
erörtert. Die reglementarischen Bestimmungen waren zuerst in der P.ordnung vom
18. Dezbr. 1874 zusammengefaßt, welche dann durch die Abänderungen vom 13. April
1877 und 4. Febr. 1878 mehrfach modifizirt wurden, und an deren Stelle gegen-
wärtig die P.ordnung vom 8. März 1879 (Centralbl. S. 185 ff.) getreten ist.
Mit der P. verwaltung ist seit dem 1. Jan. 1876 die Verwaltung des Tele-
graphenwesens verbunden worden, welches übrigens bisher lediglich durch reglemen-
tarische Bestimmungen geregelt wird, jetzt durch die Reichstelegraphenordn. vom
13. August 1880.
II. Die Organisation. 1) Die Centralverwaltung lag in Preußen seit
1814 in der Hand des Generalpostmeisters, der regelmäßig Mitglied des Staats-
ministeriums war. Die Befugnisse desselben gingen jedoch seit der durch Verordn.
vom 17. April 1848 erfolgten Errichtung des Ministeriums für Handel, Gewerbe
und öffentliche Arbeiten auf den Handelsminister über, der die P. sachen in der ersten
Abtheilung seines Ministeriums, welches die Bezeichnung Generalpostamt führte, und
an deren Spitze als Ministerialdirektor ein Generalpostdirektor stand, bearbeiten ließ.
Nach dem Uebergange des P.wesens auf das Reich bildet dann sowol für das Reich,
als auch für Preußen der Reichskanzler die oberste Stelle. Unter ihm wurden die
P. sachen anfangs von einer Abtheilung des Reichskanzleramts besorgt, die wiederum
die Bezeichnung Generalpostamt führte und an deren Spitze wiederum der General-
postdirektor stand, und neben der als eine weitere Abtheilung die Generaldirektion
der Telegraphen funktionirte. Seit dem 1. Jan. 1876 ist dann die oberste Leitung
des P.= und Telegraphenwesens vom Reichskanzleramte getrennt und unter fort-
dauernder Leitung und Verantwortlichkeit des Reichskanzlers einer obersten P.= uud
Telegraphenverwaltung unter einem Generalpostmeister übertragen, welche in zwei
Abtheilungen das P.= und das Telegraphenwesen bearbeitete. Diese Centralbehörde
zerfällt jedoch gegenwärtig in drei Abtheilungen und führt die Bezeichnung Reichs-
postamt, an dessen Spitze nunmehr ein Staatssekretär steht.
2) Als provinzielle Mittelbehörden fungiren die Oberpostdirektionen, bestehend
aus einem Oberpostdirektor, einem Bureauvorsteher mit dem Titel Postrath, einem
P. inspektor und einem Plkassenkontroleur, hauptsächlich für Beschwerde= und Rechnungs-
sachen. Die Nothwendigkeit solcher Behörden hatte sich schon zur Zeit der Stein'schen
Reformen geltend gemacht, und führte damals zu der Ausdehnung der Kompetenz
der Regierungen, die sich aber nicht bewährt hat und schon 1815 wieder beseitigt