314 Reduktion der Geschworenenliste.
Deutschen Reiche gehörenden Staaten übertragen worden ist. Es bezieht sich diese
Vorschrift auf die Mitglieder der Vertretung des Staats, nicht aber auf die Mit-
glieder von Provinzial-, Gemeinde-, Kreisverwaltungen; auch bezieht sich diese Vor-
schrift nur darauf, daß die betreffenden Personen nicht a uß erhalb der Versammlung,
welcher sie angehören, zu Verantwortung — strafrechtlich oder disziplinarisch — ge-
zogen werden dürfen. Die partikulären Verschiedenheiten der Disziplin, welche in
den parlamentarischen Versammlungen gegen deren Mitglieder geltend zu machen ist,
sind selbstverständlich bestehen geblieben.
Lit.: E. Herrmann, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder der Stände-
versammlung (Archiv des Krim. Rechts, 1853, S. 341 ff.). — v. Bar, Die Rechte der Mit-
lieder gesetzgebender Versammlungen mit bejonderer Beziehung auf Preußen, Leipz. 1868. —
* A. Fachar, Ueber Art. 84 der Preuß. Verf.Urk. (Leipz. 1866). — Beschluß des kol.
Trib. vom 29. Januar 1866, betr. den Art. 84 der Preuß. Verf.Urk. vom 31. Jan. 1850,
mit einem krit. Kommentar versehen in John, Kritiken strafrechtlicher Entscheidungen des
Orib. (Berl. 1866). — Buyn, La liberté de la garge (Amsterdam 1867) und hierzu
v. Holtzendorff in seiner Stoafrechtszto. 1868. 24. — v. Rönne, Staatsrecht der
Preuß. Monarchie, Ib S. 428, 794. — Hermann Schulze, Das Preuß. Staatsrecht, II.
S 165. — v. Schwarze, Kommentar zum Strafe#B. * das Deutsche Reich (4. Aufl. ),
177 ff. — Laband, Staatsrecht, Bd. I. S. 570 ff. John.
Reduktion der Geschworenenliste — im Gegensatze zu der durch Wahl und
Ausloofung bewerkstelligten Bildung der Jahres= und der Dienstliste (Spruchliste) —
ist jener Vorgang, vermöge dessen ein Beamter, kraft des ihm durch das. Gesetz ein-
geräumten Rechtes, aus der ihm vorgelegten Liste eine Anzahl von Namen streicht.
So ward nach der Preuß. Verordnung von 1849 (§8 67, 68) dem Schwurgerichts-
präsidenten vom Regierungspräsidenten ein Verzeichniß von 60 aus der Jahresliste
herausgezogenen Personen übersendet, das er auf 36 Namen reduzirte. Desgleichen
übersendete ihm nach der StrasP O. für die annektirten Preußischen Provinzen (§ 287)
der erste Präsident des Appellationsgerichts ein Verzeichniß von 48 Namen, das
er auf 30 reduzirte. Eine andere Form der R. trat in Baden ein, wo der Prä-
sident des Kreisgerichtes die Jahresliste auf 100 Namen für jede Session herabsetzte,
worauf dann erst durch Ausloosung die Dienstliste (30 Namen) gebildet ward. —
Eine ähnliche R. um ½ nahm in Württemberg der Vorsitzende des Kreisgerichts
im Verein mit den zwei ältesten Räthen vor, worauf erst die Ausloosung der 30
Geschworenen für die Session erfolgte. — Nach dem königl. Sächs. Gesetz vom 14.
September 1868 setzte der Präsident der letzten Schwurgerichtssitzung die Jahres-
liste auf die Hälfte herab. Auch das Deutsche GV. schreibt einen Vorgang vor,
den man als einer Reduktion der Jahresliste gleichkommend ansehen kann. Die Jahres-
liste entsteht nämlich dadurch, daß ein bei dem Amtsgerichte unter Vorsitz des Amts-
richters zusammentretender Ausschuß von Vertrauensmännern (§ 40) diejenigen Per-
sonen aus der Urliste auswählt, welche er zu Geschworenen für das nächste Ge-
schäftsjahr vorschlägt. Diese Vorschläge sind nach dem dreifachen Betrage der
auf den Amtsgerichtsbezirk vertheilten Zahl der Geschworenen zu bemessen (5 87).
Diese Vorschlagsliste gelangt an den Präsidenten des Landgerichtes und wird in einer
Sitzung desselben, an welcher fünf Mitglieder mit Einschluß des Präsidenten und
der Direktoren theilnehmen, dadurch auf ein Drittel reduzirt, daß aus der (wie
gesagt die dreifache Zahl umfassenden) Liste die für das Schwurgericht bestimmte Zahl
von Hauptgeschworenen und Hülfsgeschworenen „gewählt“ wird (§ 89). So entsteht
die Jahresliste, aus welcher die Dienstliste lediglich durch Verloosung gewonnen wird.
(Die Bildung der Jahresliste in Oesterreich beruht zwar auf einer ähnlichen Opera-
tion, einer beim Kreisgerichte zusammengesetzten, aus Richtern und Vertrauensmännern
der Bevölkerung bestehenden Kommission [§§ 11—65 des Ges. vom 23. Mai 1873 —
NR. G. Bl. Nr. 121]; allein da hier freie Auswahl aus der vollen Urliste stattfindet,
fällt der Vorgang nicht unter den Gesichtspunkt der R.)
Glaser.