144 1870. Verträge.
man ihn so ausrüstet und ihm die verfassungsmäßige Unantastbarkeit dekre-
tirt, so scheint mir dies der verkehrteste Weg, um ihn je zu beseitigen, je zur
Heilung zu bringen. Was für Koncessionen aber dem Partikularismus hier ge-
macht find, brauche ich wohl kaum Einem von Ihnen überhaupt noch zu sagen.
Der Herr Präsident des Bundeskanzleramts hat dies unter der allgemeinen
Rubrik, daß die Entwickelung mehr zur föderativen als zur bundesstaatlichen
Seite hinneige, und daß dies auch sehr natürlich sei, schon selbst angedeutet.
Ich finde es meinerseits auch ganz natürlich, daß die Dinge diesen Weg
gehen, wenn sie auf bloß diplomatischem Wege, bloß durch die Vertreter der
Regierungen abgemacht und in eine Lage gebracht werden, daß der Volks-
vertretung eine so geringe Möglichkeit, noch eine Wirksamkeit darauf aus-
zuüben, übrig bleibt; (Sehr wahr!) dann ist die ganze Geschichte sehr na-
türlich!
Ich habe in der Generaldiskussion durchaus nicht die Aufgabe, spe-
ziell auf die einzelnen hierher gehörigen Punkte einzugehen. Lassen Sie mich
nur ein paar prinzipielle Andeutungen machen; wir werden uns ja mehr
damit zu beschäftigen haben. Hier haben wir ja zuvörderst als Neuerung:
„die dem Bunde in seiner Gesammtheit nicht gemeinsamen Angelegen-
heiten". Möchten hiermit allenfalls die Vertreter der Einzelstaaten innerhalb
des Bundesrathes befaßt sein, die ja vermäge ihrer Stellung eine gewisse
Bercchtigung haben, staatliche Sonderinteressen zum Ausdruck zu bringen.
Aber, nein, man trägt eine itio in partes in den Reichstag hinein, wonach
wir also durchaus nicht mehr, wie bisher, Vertreter des ganzen Volkes sind,
sondern unsere Stellung einen ganz vollkommen anderen Charakter annimmt.
Das Schlimmste aber ist, daß namentlich den einzelnen Regierungen über-
lassen wird, diesen streng separatistischen Charakter bei einzelnen Angelegen-
heiten festzuhalten. Moge also die Majorität des Bundesraths, möge die
Mehrheit des Reichstages eine Sache für eine solche halten, deren gemein-
same Ordnung das nationale Interesse gebietet: das Veto des Partikularis=
mus von jeder einzelnen Stelle genügt, eine Angelegenhceit als eine streug
separatistische hinzustellen und sie bleibt es für ewig.
Weiter, meine Herren, daß es kein deutsches Heimathrecht für Baiern
giebt, darauf brauche ich nur hinzudeuten. Aber zur Behandlung der aus-
wärtigen Angelegenheiten bemerke ich doch schon hier Einiges. Der Herr
Präsident des Bundeskanzleramts hat uns den mit Ausschluß Preußens durch
Baiern, Würtemberg und Sachsen gebildeten Ausschuß als etwas durchaus
Unschädliches, als eine Art „weißes Pulver“ dargestellt. Ich finde aber doch
eine ganz eigene Behandlung der Sache darin, wenn das Bundespräsidium,
das doch thatsächlich die ganzen auswärtigen Angelegenheiten leitet, nicht Sitz
und Stimme in diesem Informationsausschuß hat, wie ihn ja der Herr Prä-
sident des Bundeskanzleramts charakterisirte. Dieser Informationsauoschuß
erbält darnach bloße Notizen und bringt sie zur Kenntniß des Bundesrathe.
Ja, meine Herren, wozu denn noch ein Ausschuß nothwendig ist, sehe ich