228 Verträge 1870.
seit unserer Jugend mit mehr oder weniger Ein- und Nachdruck begleitet
hat, ist das eines großen einigen deutschen Vaterlandes. Wir stehen jetzt
hier auf der Brücke über den Main, um einen kräftigen deutschen, zur Ein-
heit führenden Schritt in die südliche Hälfte des deutschen Landes zu thun.
Meine Herren, thun Sie diesen Schmtt, lassen Sie sich nicht schrecken durch
die bange Schilderung des Abgeordneten Löwe, der da meinte, daß das
einstige Oberhaupt des deutschen Reichs von vornherein verkümmert und an
seinem Einfluß und Anseben gebrochen aus unseren Verhandlungen über die
Reichsverfassung hervorgeben würde. Selbst der alte Barbarossa, den
wir wiedererwecken wollen, er hat niemals über solche Macht geboten, wie
der neue deutsche Kaiser sie baben wird: er hat nicht ein solches Heer dem
Auslande gegenüber zu stellen vermocht, er hat nicht solche Eimwirkung auf
seine selbstständigen Herzöge gehabt, als der heutige deutsche Kaiser sie zu
dußern fähig sein wird; und es wird bei Letzterem nicht nöthig sein, daß
er zu knieen haben wird vor Einem Derjenigen, die ihm jetzt die Kaiser-
krone angeboten haben, um ihn zur Heeresfolge zu bewegen. Darum, meine
Herren, belfen Sie an Ihrem Tbeile mit zu der Wiederaufrichtung eines
einigen deutschen Reichs. Deshalb Annahme der Verträge, und lassen Sie
das mögliche Bessere nicht der Feind des erreichbaren Guten sein! (Brarol)
Duncher (Berlin V)?): Meine Herren! Ich glaube, daß die General-
debatte erschöpft ist, (Lebbafte Zustimmung) da die Einwendungen, die
gegen die Verfassung vorgebracht werden können, und alle die Gründe, die
für die Verfassung sprechen, beinahe sämmtlich erörtert worden sind: ich will
Sie daher mit einer Kritik derselben meinerseits rerschonen, dagegen mit
wenigen Worten denjenigen Antrag motiriren, welchen ich in Gemeinschaft
mit meincn Freunden als einen präjudiziellen gestellt habe. Meine Herren,
der Herr Bundeskommissar hat diesem Antrage gegenüber auf unsere for-
melle Kompetenz und auf die Bestimmungen der Norddeutschen Bundesrer-
fassung hingewiesen. Ich und meine Freunde, wir haben die formelle
Kompetenz dieses Reichstages nie bestritten, wir haben niemals behauptet,
daß der gegenwärtig gewählte Weg, eine Verfassung zu Stande zu bringen,
etwa gegen die Bestimmungen der Norddeutschen Verfassung verstieße. Aber
eben so wenig, meine Herren, kann ich zugeben, wie das aus den Andeu-
tungen des Herrn Bundeskommissars vielleicht geschlossen werden könnte, daß
derjenige Weg, welchen wir vorschlagen, irgendwie gegen Bestimmungen un-
serer Verfassung verstieße, oder irgendwie dazu angethan wäre, die Rechts-
kontinnität in Deutschland zu zerreißen. Meine Herren, wenn unsere Bun-
desrerfassung vorschreibt, daß Abänderungen derselben im Wege der Bundes-
gesetzgebung stattfinden, so zeigt ja eben diese Bestimmung und es zeigt
ferner die in jeder Session hier gehandhabte Praxis, wie leicht es ist, Ver-
) St. B. S. 106 r. g. o.