Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

376 Baden. Außerordenlicher Landtag. 
In der zweiten öffentlichen Sitzung vom 16. Dezember 1870 wurde 
in folgender Weise über die vorgelegten Verträge mündlicher Bericht er- 
stattet: 
Echhard’'): Hohe Kammer! Was seit einer längeren Reihe von 
Jahren, insbesondere aber seit dem Jahre 1866 Gegenstand großer bedeut- 
samer Vorbereitungen in diesem Hause war, soll heute in Erfüllung gehen; 
es soll die Frucht des gegenwärtigen Kampfes für unser Land Baden ein- 
geheimst werden, es soll Baden wieder ein Bestandtheil des großen Deutschen 
Reiches werden. Der Gegenstand, der uns heute beschäftigt, ist wohl einer 
der wichtigsten, die jemals in diesem Hause zur Verhandlung und Beschluß- 
fassung gekommen sind. Das Vertragswerk, das uns von der Regierung 
vorgelegt worden ist, hat in der Kommission — Sie dürfen sich dessen über- 
zeugt halten — nach allen Theilen und Richtungen eine eingehende und sorg- 
fältige Prüfung gefunden, man hat auch nicht versäumt, an der Stelle, wo# 
dies allein möglich war, Erkundigungen über den Gang dieses Vertrags- 
werkes einzuziehen. Allein gerade durch diese Behandlung, durch diese Aus- 
kunftserhebung ist die Zeit für Ihren Berichterstatter eine so knappe ge- 
worden, daß ich in der Lage bin, für meine heutige Arbeit Ihre Nachsicht 
in hohem Grade in Anspruch nehmen zu müssen, weil ich mich vollkommen 
überzeugt halte, daß eigentlich die gründliche, umsichtige Durcharbeitung 
eines solchen Stoffes eine größere Zeit, eine ruhigere Ueberlegung erfordert 
hätte. — Erlauben Sie mir, daß ich, bevor ich in die materielle Frage der 
Sache eingehe, eine formale Frage berühre, die in unserem Lande bei dem 
Herannahen des Landtages vielseitig besprochen worden ist. Man hat sich 
gefragt, ob es nicht angemessen sei, daß zur Erledigung einer so bedeutsamen 
Frage, zur Berathung eines Vertrages, der auf die staatsrechtliche Stellung 
unseres Landes einen so tiefgreifenden Einfluß ausübt, die Berufung einer 
nach dem neuen Wahlgesetze gerählten Kammer stattfinde. Die Frage läßt 
sich nach zwei Richtungen beantworlen; man kann sie beantworten von einem 
rein rechtlichen Standpunkte und nach einer politischen Rücksicht, nach poli- 
tischen Erwägungen. Daß die Regierung rechtlich befugt war, den 
gegenwärtigen Landtag wieder zu versammeln, halte ich für zweifellos; 
es dauern die Mandate, nach der Bestimmung der Verfassung, bis 
30. Juni 1871. Eine andere Frage ist es allerdinge, ob es nicht politisch 
rathsam gewesen wäre, in dieser wichtigen Frage, und zwar nach dem neuen 
Wahlgesetze, an das Land und Volk zu appelliren und zu fragen, ob das 
badische Volk auch im gegenwärtigen Augenblick noch all' dem zustimme, 
was seither, unter seinen Augen und unter seiner Mitwirkung bei den 
Wahlen, von der Kammer vorbereitet worden ist. Sie wissen, diese Frage 
hat je nach der verschiedenen Parteischattirung eine verschiedene Beant- 
*!) S. ö1.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.