Jörg. M. Barth 615
Mediatifirung. Denn wenn auch unsere Mediatisirung immerhin nur sehr
frärliche Reste unserer innern Selbständigkeit belassen würde, so würden
doch auch diese spärlichen Reste noch übergenug Spielraum bieten,
um — verzeiben Sie mir den Ausdruck, meine Herren — die liberale
Tyrannis nach wie vor walten zu lassen. (Heiterkeit links.) Aber, meine
Herren, Annerion — soweit sind wir noch nicht und vor dieser Frage
stehen wir nicht! Was mich betrifft, so fühle ich mich nicht gewählt und
nicht bevollmächtigt, in irgend einer Weise zu einer über die ganze Zukunft
des Landes entscheidenden Sache ohne weiteres Ja zu sagen. Ich fühle
mich, meine Herren, mit Einem Worte nicht bevollmächtigt, in irgend einer
Weise unser liebes altes Baierland aus unseren Händen zu geben und an
Preußen aus zuliefern. Meine Herren, es hat in Preußen vor dem Kriege
im Jahre 1866 ein vierjähriger Verfassungsstreit gewüthet. Man hat die
Kammer in Preußen viermal oder, ich glaube mich nicht zu irren, gar
fünfmal aufgelöst; und dieser ganze Konflikt, dieser ganzge große Streit hat
sich nur gedreht um die neue Armeereorganisation. Und wir, meine Herren,
sellten eine Kammerauflösung, unter Umständen selbst einen Konflikt fürch-
ten, wo es sich handelt um die Existenz unseres Landes, wo es um den
letzten Versuch sich handelt, die berechtigte Selbstständigkeit unseres Landes
noch zu retten, wenn es möglich ist? Und es wird, mit Gottes Beistand
hoffe ich es zuversichtlich, es wird möglich sein. Wie dem aber immes sei,
ich weiß kein anderes Mittel als: Fragen Sie das Volk, ob es will oder
nicht will. Ich weiß keinen anderen Rath, ich stehe hier und kann nicht
anders.
lUr. M. Barth (Referent der Ausschußminorität): Meine
Herren! Es klang ein bitterer Ton durch die Rede des Herrn Referenten
der Ausschußmasorität, welche wir vorhin gehört haben. Ich muß Ihnen
gestehen, auch mein Gemüth erfüllt eine gewisse Bitterkeit. Es erregt ein
schmerzliches Gefühl in mir, daß gerade das Land, dem ich zugehöre, das
baierische Land als das einzige im großen Deutschland in solcher Weise,
wie hier geschieht, die Deutsche Idee behandelt, und daß in diesem Lande
zerade dieses hohe Haus, dem ich als Mitglied seit langen Jahren ange-
berr, der Faktor ist, — der einzige, welcher dem neu geschaffenen Deutschen
Reiche widerstrebt. Indeß, meine Herren, werde ich mich bemühen, die
Gefühle, die mich beherrschen, niederzudrücken und werde mit der Objektivi-
lät sprechen, welche die Wichtigkeit des Gegenstandes und die Stellung eines
Referenten, sei es auch der Referent der Minorität, erheischt. Ich will zu-
rerderst und ehe ich mich auf eine Widerlegung des Nachtrages zum Refe-
rate des Herrn Kammersekretärs, der den Hauptgegenstand meiner Aus-
führungen bilden wird, übergehe, cinige Punkte besprechen, welche im heutigen
) S. 115 l. o.