1470 Abschnitt XXXII. Patent-Gesetz.
§. 2. Eine Erfindung gilt nicht als neu, wenn sie zur Zeit der auf
Grund dieses Gesetzes erfolgten Anmeldung in öffentlichen Druckschriften aus
den letzten hundert Jahren bereits derart beschrieben oder im Inlande bereits
so offenkundig 1) benutzt ist, daß danach die Benutzung durch andere Sachver-
ständige möglich erscheint.
Die im Auslande amtlich herausgegebenen Patentbeschreibungen stehen den
öffentlichen Druckschriften erst nach Ablauf von drei Monaten seit dem Tage
der Herausgabe gleich, sofern das Patent von demjenigen, welcher die Erfindung
im Auslande angemeldet hat, oder von seinem Rechtsnachfolger nachgesucht
wird. Diese Begünstigung erstreckt sich jedoch nur auf die amtlichen Patent-
beschreibungen derjenigen Staaten, in welchen nach einer im Reichs-Gesetzblatt
enthaltenen Bekanntmachung die Gegenseitigkeit verbürgt ist.
§. 3. Auf die Ertheilung des Patents hat derjenige Anspruch, welcher
die Erfindung zuerst nach Maßgabe dieses Gesetzes angemeldet hat:). Eine
spätere Anmeldung kann den Anspruch auf ein Patent nicht begründen, wenn
die Erfindung Gegenstand des Patents des früheren Anmelders ist. Trifft
diese Voraussetzung theilweise zu, so hat der spätere Anmelder nur Anspruch
auf Ertheilung eines Patents in entsprechender Beschränkung.
Ein Anspruch des Patentsuchers auf Ertheilung des Patents findet nicht
statt, wenn der wesentliche Inhalt seiner Anmeldung den Beschreibungen,
Zeichnungen, Modellen, Geräthschaften oder Einrichtungen eines Anderen oder
einem von diesem angewendeten Verfahren ohne Einwilligung desselben ent-
nommen und von dem letzteren aus diesem Grunde Einspruch erhoben ist. Hat
der Einspruch die Zurücknahme oder Zurückweisung der Anmeldung zur Folge,
so kann der Einsprechende, falls er innerhalb eines Monats seit Mittheilung
des hierauf bezüglichen Bescheides des Patentamts die Erfindung seinerseits
anmeldet, verlangen, daß als Tag seiner Anmeldung der Tag vor Bekannt-
machung der früheren Anmeldung festgesetzt werde.
§. 4. Das Patent hat die Wirkung, daß der Patentinhaber ausschließlich
befugt ist, gewerbsmäßig den Gegenstand der Erfindung ) herzustellen, in Verkehr
zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen. Ist das Patent für ein Verfahren
ertheilt, so erstreckt sich die Wirkung auch auf die durch das Verfahren un-
mittelbar hergestellten Erzeugnisse.
§. 5. Die Wirkung des Patents tritt gegen denjenigen nicht ein,
welcher zur Zeit der Anmeldung") bereits im Inlande die Erfindung in Be-
nutzung genommen oder die zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen ge-
troffen hatte ). Derselbe ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines
eigenen Betriebes in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen. Diese
Befugniß kann nur zusammen mit dem Betriebe vererbt oder veräußert
werden.
Die Wirkung des Patents tritt ferner insoweit nicht ein, als die Er-
findung nach Bestimmung des Reichskanzlers für das Heer oder für die Flotte
oder sonst im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Doch
1) Dazu genügt, daß sie so an die Oeffentlichkeit gekommen ist, daß Sachver-
ständige an Wege der Untersuchung davon hätten Kenntniß erlangen können, E.
Civ. I. 42.
:) Nur dieser hat ein Recht auf das Patent, nicht der Erfinder, vorausgesetzt,
daß nicht der wesentliche Theil der Anmeldung doloser Weise entlehnt ist, E. Civ.
. 49.
*) Gegenstand der Erfindung ist nicht allein die Erfsindung in ihrer Gesammtheit,
sondern auch die einzelnen Theile, die sich als für das Gesammtbild wesentlich dar-
stellen, E. Crim. XXIII. 22, XXIV. 266. Das Recht des Patentinhabers erstreckt
sich nicht auf Gegenstände, die zur Anwendung des Patentes erforderlich oder vor-
zugsweise tauglich und nur hierfür bestimmt, aber nicht Gegenstand des Patentes
sind, E. Civ. XXXII. 53.
!) Nicht aber erst nach der Anmeldung, wenn auch vor ihrer Bekanntmachung,
E. Crim. XXIII. 92.
5) Darunter fällt auch die Fertigstellung von Modellen, Erk. R. G. 28. Nov.
1883 (Raff. und Künz. XXVII. 1123).