Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XXXII. Patent-Gesetz. 1479 
§. 29. Nachdem die Einleitung des Verfahrens verfügt ist, fordert das 
Patentamt den Patentinhaber unter Mittheilung des Antrags auf, sich über 
denselben innerhalb eines Monats zu erklären. 
Erklärt der Patentinhaber binnen der Frist sich nicht, so kann ohne Ladung 
und Anhörung der Betheiligten sofort nach dem Antrage entschieden und bei 
dieser Entscheidung jede von dem Antragsteller behauptete Thatsache für er- 
wiesen angenommen werden. 
§. 30. Widerspricht der Patentinhaber rechtzeitig, oder wird im Falle des 
§. 29 Abs. 2 nicht sofort nach dem Antrage entschieden, so trifft das Patent- 
amt, und zwar im ersteren Falle unter Mittheilung des Widerspruchs an den 
Antragsteller, die zur Aufklärung der Sache erforderlichen Verfügungen. Es 
kann die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen anordnen. Auf die- 
selben finden die Vorschriften der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. 
Die Beweisverhandlungen sind unter Zuziehung eines beeidigten Protokoll- 
führers aufzunehmen. 
Die Entscheidung erfolgt nach Ladung und Anhörung der Betheiligten. 
Wird die Zurücknahme des Patents auf Grund des §. 11 Nr. 2 beantragt, 
so muß der diesem Antrage entsprechenden Entscheidung eine Androhung der 
urücknahme unter Angabe von Gründen und unter Festsetzung einer ange- 
messenen Frist vorausgehen. 
§. 31. In der Entscheidung (§§. 29, 30) hat das Patentamt nach freiem 
Ermessen zu bestimmen, zu welchem Antheile die Kosten des Verfahrens den 
Betheiligten zur Last fallen. 
§. 32. Die Gerichte sind verpflichtet, dem Patentamt Rechtshülfe zu 
leisten. Die Festsetzung einer Strafe gegen Zeugen und Sachverständige, welche 
nicht erscheinen oder ihre Aussage oder deren Beeidigung verweigern, sowie die 
Verführung eines nicht erschienenen Zeugen erfolgt auf Ersuchen durch die 
Gerichte. 
§. 33. Gegen die Entscheidung des Patentamts (8§. 29, 30) ist die Be- 
rufung zulässig. Die Berufung geht an das Reichsgericht. Sie ist binnen 
sechs Wochen nach der Zustellung bei dem Patentamt schriftlich anzumelden 
und zu begründen. 
Dnurch das Urtheil des Gerichtshofs ist nach Maßgabe des §. 31 auch über 
die Kosten des Verfahrens zu bestimmen. 
Im Uebrigen wird das Verfahren vor dem Gerichtshof durch ein Regulativ 
bestimmt, welches von dem Gerichtshof zu entwerfen ist und durch Kaiserliche 
Verordnung unter Zustimmung des Bundesraths festgestellt wird 7. 
— 
1) Vd. 6. Dez. 1891 (R. G. Bl. S. 389), betr. das Berufungsverfahren beim 
Reichsgericht in Patentsachen. 
§. 1. Die in Gemäßheit des §. 33 Abs. 1 des Patentges. 7. April 1891 bei 
dem Patentamt einzureichende Berufungsschrift muß die Berufungsanträge sowie dir 
Angabe der neuen Thatsachen und Beweismittel enthalten, welche der Berufungskläger 
geltend machen will. 
§. 2. Ist die Berufungsschrift nicht rechtzeitig eingegangen oder nicht in deutscher 
Sprache abgefaßt oder enthält sie nicht die Berufungsanträge, so hat das Patentamt 
die Berufung als unzulässig zu verwerfen. 
Der Berufungskläger kann binnen einer Woche nach Zustellung dieses Beschlusses 
auf die Entscheidung des Reichsgerichts antragen. 
§s. 3. Ist die Berufung zulässig, so wird die Berufungsschrift von dem Patent- 
amt dem Berufungsbeklagten mit der Auflage mitgetheilt, seine schriftliche Erklärung 
innerhalb eines Monats nach der Zustellung bei dem Patentamt einzureichen. 
Die Erklärung muß die Gegenanträge, sowie die Angabe der neuen Thatsachen 
und Beweismittel enthalten, welche der Berufungsbeklagte geltend machen will. 
§. 4. Das Patentamt legt die Verhandlungen nebst den Akten erster Justanz 
dem Reichsgericht vor und benachrichtigt hiervon die Parteien unter Mittheilung der 
Gegenerklärung an den Berufungskläger. 
§. 5. Das Reichsgericht trifft nach freiem Ermessen die zur Aufklärung der 
Sache erforderlichen Verfügungen. 
Beweiserhebungen können durch Vermittelung des Patentamts erfolgen.
	        
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