1530 Nachträge.
IV. Allgemeine Bestimmungen über die Beförderung von Auswanderern.
§. 22. Der Unternehmer darf Auswanderer nur befördern auf Grund eines
vorher abgeschlossenen schriftlichen Vertrags.
Den Auswanderern darf nicht die Berpflichtung auferlegt werden, den Beförde-
rungspreis oder einen Theil desselben oder ihnen geleistete Vorschüsse nach ihrer
Ankunft am Bestimmungsorte zu zahlen oder zurückzuerstatten oder durch Arbeit ab-
zuverdienen; ebensowenig dürfen sie in der Wahl ihres Aufenthaltsorts oder ihrer
Beschäftigung im Bestimmungslande beschränkt werden.
§. 23. Verboten ist die Beförderung sowie der Abschluß von Verträgen über
die Beförderung:
a) von Wehrpflichtigen im Alter vom vollendeten siebzehnten bis zum vollendeten
fünfundzwanzigsten Lebensjahre, bevor sie eine Entlassungsurkunde (§. 14 des
Ges. über die Erwerbung und den Verlust der Bundes= und Staatsangehörig-
keit vom 1. Juni 1870) oder ein Zeugniß der Ersatzkommission darüber bei-
gebracht haben, daß ihrer Auswanderung aus dem Grunde der Wehrpflicht
kein Hinderniß entgegen steht; "
b) von Personen, deren Verhaftung oder Festnahme von einer Gerichts= oder
Polizeibehörde angeordnet ist;
e) von Reichsangehörigen, für welche von fremden Regierungen oder von Kolo=
nisationsgesellschaften oder ähnlichen Unternehmungen der Beförderungspreis
ganz oder theilweise bezahlt wird oder Vorschüsse geleistet werden; Ausnahmen
von dieser Bestimmung kann der Reichskanzler zulassen.
§. 24. Auswanderer, welche sich nicht im Besitze der nach §. 23 a erforder-
lichen Urkunde befinden, oder welche zu den im §. 23 unter b und c bezeichneten
Personen gehören, können durch die Polizeibehörden am Verlassen des Reichsgebiets
verhindert werden.
Die Polizeibehörden in den Hafenorten sind befugt, die Unternehmer an der
Einschiffung von Personen zu verhindern, deren Beförderung auf Grund dieses
Gesetzes verboten ist.
V. Besondere Bestimmungen für die überseeische Auswanderung nach
außereuropäischen Ländern.
§. 25. Verträge über die überseeische Beförderung von Auswanderern müssen
auf Beförderung und Verpflegung bis zur Landung im außereuropäischen Aus-
schiffungshafen gerichtet sein. Sie sind auf die Weiterbeförderung und Verpflegung
vom Ausschiffungshafen bis an das Auswanderungsziel zu erstrecken, insoweit dies
bei der Ertheilung der Erlaubniß (§. 1) zur Bedingung gemacht ist.
Soll das Schiff in einem außerdeutschen Hafen bestiegen oder gewechselt werden,
so ist dies in den Beförderungsvertrag aufzunehmen.
§. 26. Der Verkauf von Fahrscheinen an Auswanderer zur Weiterbeförderung
von einem überseeischen Platze aus ist verboten.
Dieses Verbot findet jedoch keine Anwendung auf Verträge, durch welche der
Unternehmer (§. 1) sich zugleich zur Weiterbeförderung vom überseeischen Ausschiffungs-
hafen aus verpflichtet.
§. 27. Der Unternehmer ist verpflichtet, den Auswanderern an dem zu ihrer
Einschiffung oder Weiterbeförderung bestimmten Orte bei jeder nicht von ihnen selbst
verschuldeten Verzögerung der Beförderung von dem vertragsmäßig bestimmten
Abfahrtstag an ohne besondere Vergütung Unterkunft und Verpflegung zu gewähren-
§. 28. Falls die Verzögerung länger als eine Woche dauert, hat der Aus-
wanderer, unbeschadet der ihm nach dem bürgerlichen Rechte etwa zustehenden An-
sprüche auf Schadenersatz, das Recht, von dem Vertrage zurückzutreten und die Rück-
erstattung des gezahlten Ueberfahrtsgeldes zu verlangen.
§. 29. Die Rückerstattung des Ueberfahrtsgeldes kann auch dann verlangt
werden, wenn der Auswanderer oder einer der ihn begleitenden Familienangehörigen
vor Antritt der Seereise stirbt oder nachweislich durch Krankheit oder durch sonstige
außer seiner Macht liegende Zwischenfälle am Antritte der Seereise verhindert wird.
Das Gleiche gilt, wenn in Fällen des §s. 26 Abs. 2 die Berhinderung im
überseeischen Ausschiffungshafen eintritt, rücksichtlich des den Weiterbeförderungskosten
entsprechenden Theiles des Ueberfahrtsgeldes.