Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

260 Abschnitt III. Disziplinargesetz. 
erscheinende Angeschuldigte kann sich durch einen [Advokaten o derl. Rechts- 
Anwalt!) vertreten lassen. Der Disziplinarbehörde steht es jedoch jederzeit zu, 
das persönliche Erscheinen des Angeschuldigten unter der Warnung zu verordnen, 
daß bei seinem Ausbleiben ein Vertheidiger zu seiner Vertretung nicht werde 
zugelassen werden. 
38. Bei der Entscheidung?) hat die Disziplinarbehörde, ohne an 
positive Beweisregeln gebunden zu sein, nach ihrer freien, aus dem ganzen 
Inbegriffe der Verhandlungen und Beweise geschöpften Ueberzeugung zu be- 
urtheilen, in wieweit die Anschuldigung für begründet zu erachten. Die Ent- 
scheidung kann auch auf eine bloße Ordnungsstrafe lauten. 
Die Entscheidung, welche mit Gründen?) versehen sein muß, wird in der 
Sitzung, in welcher die mündliche Verhandlung beendigt worden ist, oder in 
einer der nächsten Sitzungen verkündigt und eine Ausfertigung derselben dem 
Angeschuldigten auf sein Verlangen ertheilt. 
§. 39. Ueber die mündliche Verhandlung wird ein Protokoll") aufge- 
nommen, welches die Namen der Anwesenden und die wesentlichen Momente der 
Verhandlung enthalten muß. Das Protokoll wird von dem Vorsitzenden und 
dem Protokollführer unterzeichnet. 
§. 40. Das Rechtsmittel des Einspruches (Restitution oder Opposition) 
findet nicht statt. 
§. 41. Gegen die Entscheidung steht die Berufung an das Staats- 
  
. Der Angeschuldigte kann sich in allen Fällen nur durch einen Rechtsanwalt, 
nicht durch andere Personen, vertheidigen und vertreten lassen. Wegen der Gebühren 
der Rechtsanwälte vergl. 88. 53 ff. der Gebühren-Ord. 7. Juli 1879 und Ausf. Ges. 
2 Febr. 1880 (G. S. S. 43). 
:) Bei Stimmengleichheit giebt das Votum des Vorsitzenden, nicht aber die 
mildere Meinung den Ausschlag, St. M. B. 24. Mai 1865 (M. Bl. S. 177). 
Das Straferkenntniß wird sich über andere Anschuldigungspunkte, als die in die 
Anklageschrist aufgenommen, nicht erstrecken dürfen. Gleichwohl wird andererseits 
nicht zu behaupten sein, daß das Disziplinargericht, wenn es sich bei der zu erlassenden 
Entscheidung um die Beurtheilung eines generell aufgestellten Anschuldigungspunktes 
(Trunksucht 2c.) handelt, unbedingt nur auf die zum Beweise eines solchen in der 
Anklageschrift in Bezug genommenen Vorfälle Rücksicht nehmen dürfe, Res. 4. März 
1871 (M. Bl. S. 97). Z 
Eine etwa zu verhängende Geldstrafe darf nach einem Beschluß des Staats- 
ministeriums die Maximalgrenze des §. 19 nicht übersteigen, vergl. Erk. O. V. G. 
7. Mai 1890 (D. J. Nr. 54). Wegen der Kosten des Verfahrens vergl. Res. 
20. Febr. 1890 (M. Bl. S. 40). Es dürfen nur baare Auslagen, nicht aber ein 
Pauschquantum oder Schreibgebühren liquidirt werden. 
*) Bei der Verkündigung der Entscheidung erster Instanz in der Sitzung des 
Kollegii sind die Gründe des Beschlusses nur ihrem wesentlichen Inhalte nach anzu- 
geben und ist demnächst die Entscheidung mit vollständiger Begründung binnen acht 
Tagen schriftlich abzufassen, Res. 12. März 1853 (M. Bl. S. 74). Vergl. Res. 
4. Nov. 1850 (M. Bl. S. 320). Der Grundsatz: ne bis in idem, gilt auch bei 
Disziplinarsachen (O. R. B. 1 S. 229). 
!) In dem Sitzungsprotokoll ist ausdrücklich zu konstatiren, daß die Verkündigung 
der Entscheidung mit Gründen erfolgt sei, Res. 9. Nov. 1880 (M. Bl. S. 293). 
Vergl. Res. 23. Febr. 1871 (M. Bl. S. 57). 
Die Protokolle über die betreffenden Plenarsitzungen sind nur von den stimm- 
berechtigten Mitgliedern, welche daran Theil genommen haben, zu unterschreiben, Res. 
24. Juni 1870 (M. Bl. S. 170). . 
Wenn in dem Sitzungsprotokoll die nicht stimmberechtigten Mitglieder als an- 
wesend aufgeführt werden, so ist in demselben ausdrücklich anzugeben, daß sie nicht 
an der Entscheidung Theil genommen haben, Res. 27. April 1867 (M Bl. S. 109). 
In Disziplinarstrafsachen ist zu den Ausfertigungen der Strafverfügungen und 
Straferkenntnisse ein Stempel nicht erforderlich, Res. 4. Nov. 1875 (M. Bl. 
1876 S. 38).
	        
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