Abschnitt IV. Gothaer Vertrag. 303
anderen Staate nach §§. 1 oder 2 zugewiesen werden könnten, von ihren Ehemännern
und beziehungsweise Eltern!) getrennt werden.
§. 7. Wenn diejenige Regierung, welche sich einer lästigen Person entledigen
will, die Uebernahme derselben von mehreren deutschen Bundesstaaten ) aus der gegen-
wärtigen oder einer anderen Uebereinkunft zu fordern berechtigt ist, so hat sie denjenigen
Staat zunächst in Anspruch zu nehmen welcher in Beziehung auf den Verpflichtungs-
grund oder die Zeitfolge näher verpflichtet ist.
Hat dieser Staat, auch nach vorgängigem Schriftwechsel der obersten Landes-
behörden, die Uebernahme verweigert, so kann die ausweisende Regierung auch von
demjenigen Staate, welcher nach gegenwärtiger Uebereinkunft hiernächst verpflichtet ist,
die Uebernahme fordern und demselben die Geltendmachung seines Rechts gegen den
vermeintlich näher verpflichteten Staat überlassen.
§b. 8. Ohne Zustimmung der Behörde des zur Uebernahme verpflichteten Staates,
darf diesem kein aus dem anderen Staate ausgewiesenes Individuum zugeführt
werden 3), es sei denn, daß
a) der Rückkehrende sich im Besitze eines von der Behörde seines Wohnortes aus-
gestellten Passes (Wanderbuchs, Paßkarte), seit dessen Ablauf noch nicht ein
Jahr verstrichen ist, befindet oder
b) daß der Ausgewiesene einem in gerader Richtung rückwärts liegenden dritten
Staate zugehört, welchem er nicht wohl anders als durch das Gebiet des
anderen kontrahirenden Staates zugeführt werden kann.
g. 9. Sollte ein Individuum, welches von dem einen kontrahirenden Staate
dem anderen zum Weitertrausport in einem rückwärts liegenden Staat nach Maß-
gabe des §. 8 Lit. b überwiesen worden ist, von dem letzteren nicht angenommen
werden, so kann dasselbe in denjenigen Staat, aus welchem es ausgewiesen worden
war, wieder zurückgeführt werden.
#§. 10. Die Ueberweisung der Ausgewiesenen geschieht in der Regel mittelst
Transportes und Abgabe derselben an die Polizeibehörde desjenigen Ortes, wo der
Transport als von Seiten des ausweisenden Staates beendigt anzusehen ist. Mit
dem Ausgewiesenen werden zugleich die Beweisstücke, worauf der Transport konven-
tionsmäßig gegründet wird, übergeben. In solchen Fällen, wo keine Gefahr zu be-
sorgen ist, können einzelne Ausgewiesene auch mittelst eines Passes, in welchem ihnen
die zu befolgende Route genau vorgeschrieben ist, in ihr Vaterland gewiesen werden.
§. 11. Die Kosten der Ausweisung trägt innerhalb seines Gebietes der aus-
weisende Staat. "
Wenn der Ausgewiesene, um seiner Heimath in einem dritten Staate zugeführt
zu werden, durch das Gebiet eines anderen kontrahirenden Theiles transportirt werden
muß, so hat dem letzteren der ausweisende Staat die Hälfte“) der bei dem Durch-
transporte entstehenden Kosten zu erstatten.
1) Diese Bestimmung findet natürlich nicht Anwendung, wenn das Familienhaupt
sich chn begangener Verbrechen in Haft befindet, Res. 11. Nov. 1867 (M. Bl.
S. 362).
2) Will eine Regierung einwenden, daß sie zu früh in Anspruch genommen sei,
so muß sie nachweisen, daß ein anderer und welcher Staat zur Uebernahme näher
verpflichtet sei, Schiedsrichterl. Erk. des pr. Min. des Ausw. 30. Anug. 1852 bei Cahn
S. 238.
2) Steht die Uebernahmepflicht fest, so darf die Uebernahme selbst nicht deshalb
verzögert werden, weil es der näheren Feststellung des Ortes bedürfe, wohin der
Aufzunehmende zu weisen sei, vergl. Res. 9. April 1883 (M. Bl. S. 54).
4) Die kontrahirenden Staaten haben sich dahin geeinigt:
daß sie auf das ihnen nach §. 11 zustehende Recht auf Erstattung der Hälfte
der gedachten Kosten für die Zeitdauer vom 1. Januar 1859 bis zum
31. Dezember 1862 verzichten wollen,
und sind demgemäß die betreffenden Regierungen angewiesen, die gedachten Kosten
zum vollen Betrage aus dem Fonds ihrer Hauptkasse zu polizeilichen Zwecken an-
uweisen.
Diese Anordnung bezieht sich nur auf Transporte aus einem Vereinsstaat in den
anderen, nicht aber auf Transporte von Personen, welche aus einem Vereinsstaat in
einen anderen, zu den kontrahirenden nicht gehörigen Staat oder aus einem Staat