Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. 575
Der Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist fünfzehn Jahre, ihr Mindest-
betrag ein 09n "„
Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche
androht, ist dieselbe eine zeitige.
Die Strafe der Festungshaft besteht in Freiheitsentziehung mit Beauf-
sichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen; sie wird in
Festungen oder in anderen dazu bestimmten Räumen vollzogen.
2 18. Der Höchstbetrag der Haft ist sechs Wochen, ihr Mindestbetrag
ein Tag.
Die Strafe der Haft besteht in einfacher Freiheitsentziehung.
§. 19. Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vierundzwanzig Stunden, die
Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit gerechnet.
Die Dauer!½) einer Zuchthausstrafe darf nur nach vollen?) Monaten, die
Dauer einer anderen Freiheitsstrafe nur nach vollen Tagen bemessen werden.
§. 20. Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungshaft
gestattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt wird, daß
die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist.
§. 21. Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjährigen Gefängnißstrafe,
achtmonatliche Gefängnißstrafe einer einjährigen Festungshaft gleich zu achten?).
§. 22. Die Zuchthaus= und Gefängnißstrafe können sowohl für die ganze
Dauer, wie für einen Theil der erkaunten Strafzeit in der Weise in Einzelhaft!“)
vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von anderen Gefangenen
gesondert gehalten wird.
Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von
drei Jahren nicht übersteigen.
§. 23. Die zu einer längeren Zuchthaus= oder Gefängnißstrafe Verur-
theilten können, wenn sie drei Viertheile), mindestens aber ein Jahr der ihnen
auferlegten Strafe verbüßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt haben,
mit ihrer Zustimmung vorläufig entlassen) werden.
1) Ueber den Zeitpunkt, von welchem ab die Dauer der Freiheitsstrafen bei ihrer
Vollstreckung zu berechnen ist vergl. §§. 481 fg. Str. P. O. — über den Zeitpunkt
der Entlassung Res. 4. Jan. und 26. März 1881 (M. Bl. S. 54 und 87) — über
die Strafunterbrechungen §. 493 Str. P. O.
2) Die Vorschrift, daß die Dauer der Zuchthausstrafe nur nach vollen Monaten
bemessen werden darf, bleibt in den Fällen außer Anwendung, in welchen eine Ge-
fängnißstrafe in eine Zuchthausstrafe umzuwandeln ist, Erk. R. G. 13. April 1881
(E. Crim. IV. 161). Sie ist dagegen anzuwenden bei mehreren mit Zuchthaus zu
bestesenden Verbrechen, E. Crim. VIII. 26; Bruchtheile von Monaten sind unzulässig,
das. X. 22.
3) Dos Werthverhältniß ist bei Anrechnung von Untersuchungshaft auf Zucht-
hausstrafe (oder Festungshaft) nicht zu beachten, E. Crim. XV. 143.
4) Wenn die in einer Gefangenanstalt detinirten Sträflinge Tag und Nacht in
ihrer Zelle gehalten und in dieser auch beschäftigt werden, so erleiden sie Einzelhaft
im Sinne des §. 22, obgleich sie zu den Morgen= und Abendandachten zusammen-
treten, Res. 9. Aug. 1884 (M. Bl. S. 252). ·
s)ESkommtnuraufdieLängedes-voneinemSträflingeüberhauptzuvers
büßenden Freiheitsstrafe an, ohne Unterschied, ob solche aus einem oder mehreren
Erkenntuissen refultirt. In den betr. Fällen sind die durch verschiedene Urtheile er-
kannten Strafen zu summiren und davon ¾ zu berechnen. Bei Stellung ihrer
Anträge haben die Strafanstalts-Verwaltungen darauf Rücksicht zu nehmen, ob etwa
verschiedene Appellationsgerichte betheiligt sind und also bei der Berichterstattung an
den Justizminister zusammenzuwirken haben, Res. 11. Sept. 1871 (M. Bl. S. 311).
6) Vergl. das Regl., betr. die vorläufige Entlassung von Strafgefangenen
21. Jan. 1871 und unmittelbar hinter dem Str. G. B. die Vorschriften wegen zeit-
weiser Entlassung (Beurlaubung) weiter unten. ç
Solchen zu Freiheitsstrafen verurtheilten Personen, hinsichtlich deren bei längerer
guter Führung eine Begnadigung in Aussicht genommen werden kann, kann der
Justizminister Aussetzung der Strafvollstreckung bewilligen und demnächst wegen Erlasses
oder Milderung der Strafe berichten. Von dieser Ermächtigung soll er vornehmlich