614 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Verbrechen gegen die Sittlichkeit.
§. 180. Wer gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz durch seine Vermit-
telung oder durch Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit der Unzucht
Vorschub'## leistet, wird wegen Kuppelei mit Gefängniß bestraft; auch kann auf
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht
erkannt werden. ..
§. 181. Die Kuppelei ist, selbst wenn sie weder gewohnheitsmäßig noch
aus Eigennutz betrieben wird, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu be-
strafen, wenn Z ·» «
1. um der Unzucht Vorschub zu leisten, hinterlistige Kunstgriffe angewendet
worden sind, oder · « «
2. der Schuldige zu den Personen, mit welchen die Unzucht getrieben worden
ist, in dem Verhältniß von Eltern zu Kindern, von Vormündern zu
1) Der Umstand, daß die Polizeibehörde den Personen, deren Unzucht Vorschub
geleistet wurde, die Ausübung der letzteren gestattet hat, schließt die Anwendung des
§. 180 nicht aus, Erk. O. Trib. 9. April 1879 bei Opp. Anm. 1 zu §. 180. Die
Betreibung einer volizeilich geduldeten Bordellwirthschaft ist als Kuppelei strafbar,
E. Crim I. 88; XX. 201. Der Vermiether einer Wohnung an Frauenspersonen,
welche in der Wohnung mit Wissen des Wirthes Unzucht treiben, macht sich dadurch
der Kuppelei schuldig, auch wenn er von den Frauenspersonen keine übertrieben hohe
Miethe erhält. Der Vermiether, welcher an Frauenspersonen eine Wohnung vermiethet
hat, welche ohne sein Wissen in ihrer Behaufung ein unzüchtiges Gewerbe be-
treiben, hat nach erlangter Kenntniß alle diejenigen Maßregeln zu ergreifen,
welche ihm auf Grund des zwischen ihm und den Unzucht treibenden Mietherinnen
bestehenden Miethsverhältnisses rechtlich und faktisch zu Gebote stehen, um dem Unzucht.
treiben Einhalt zu thun, widrigenfalls er für die Fortsetzung des unzüchtigen Ge-
werbes strafrechtlich verantwortlich wird; dagegen sind die Vermiether nicht verpflichtet,
zu diesem Zwecke eine in ihrem Erfolge zweifelhafte Exmissionsklage anzustrengen.
Sie werden strafbar, wenn sich ergiebt, daß die Belassung der Abmietheriunen im
Genusse der Miethsräume ein im Willen der Verklagten liegendes Verhalten derselben
gewesen ist, gegen die fernere Benutzung der Wohnung zu dem unzüchtigen Gewerbe
einzuschreiten, Erk. R. G. 4. Nov. 1880. Vergl. Rechtspr. I. 680, 828; II. 362;
X. 139.
Der Verwalter eines Gasthofes, welcher die Vermiethung von Zimmern an
Pärchen zum Zwecke der Unzucht seitens seiner Hausdiener nach erlangter Kenntniß
nicht verbietet, macht sich der Kuppelei schuldig und zwar aus Eigennut, auch dann,
wenn der Gewinn daraus zwar nicht direkt in seine Tasche fließt, aber indirekt da-
durch, daß er denjenigen, welchem der Gewinn zufließt, zu beerben Aussicht hat, z. B.
wenn er sein Sohn ist, Erk. R. G. 9. Juni 1885; ebenso der Ehemann, wenn er
in der Lage war, das Treiben seiner Frau zu verhindern, E. Crim. XXII. 333.
Unter Unzucht im Sinne des §. 180 ist nicht bloß die Vollziehung des außer-
ehelichen Beischlafs zu verstehen, sondern jedes gegen Zucht und Sitte verstoßende
Handeln im Bereiche des geschlechtlichen Umgangs zwischen mehreren Personen,
Erk. 29. Mai 1884 (E. Crim. Xl. 4). (In casu hatten sich Kellnerinnen auf den
Schooß nehmen und über und unter den Kleidern betasten lassen; das Reichsgericht
erkannte darin, daß der Angeklagte einem solchen Treiben gewohnheitsmäßig und aus
Eigennutz durch Gewährung von Gelegenheit Vorschub geleistet hätte, den Thatbestand
der Kuppelei.) #
Der Zuhälter einer Prostituirten, der sie des Abends auf ihren Ausgängen be-
gleitet, sie auf Männer aufmerksam macht, sie beim Herannahen der Polizei unter den
Arm nimmt und fortführt, mit ihr in ihre Wohnung geht, um ihr nöthigenfalls zur
Bezahlung zu verhelfen, leistet im Sinne des §. 180 der Unzucht Vorschub, Erk.
17. Okt. 1883 (E. Crim. Xl. 149).
Wenn eine Mutter die Unzucht ihrer Tochter durch vorsätzliches Unterlassen ihrer
Pflicht zur Verhinderung der Unzucht ermöglicht oder erleichtert, sei es, daß sie ihrer
Tochter den Verkehr an einem berüchtigten Orte gestattet, sei es, daß sie keinen Ein-
spruch in solchen Fällen erhebt, wo nach Recht und guter Sitte der Einspruch geboten
ist, so ist sie wegen qualifizirter Kuppelei nach 8. 181 zu bestrafen, auch wenn sie
dabei irgend eine positive, die Unzucht befördernde Handlung nicht gethan hat, Ert.
R. G. 16. Jau. 1885 (Rechtspr. VII. 34).