Abschnitt IX. Unterbringung verwahrloster Kinder. 687
welchem der Zögling seinen Unterstützungswohnsitz hat, alle übrigen Kosten des
Unterhalts und der Erziehung, sowie der Fürsorge bei der Beendigung der
Zwangserziehung den vorerwähnten Verbänden zur Last, soweit sie nicht aus
dem eigenen Vermögen!) des Zöglings getragen oder von den aus privatrecht-
lichen Titeln zur Alimentation Verpflichteten eingezogen werden können.
Die Verbände sind befugt, zur Bestreitung der Kosten die ihnen zufolge
der Gesetze vom 8. Juli 1875 (Gesetz-Samml. S. 497), vom 7. März 1868
(Gesetz-Samml. S. 223), der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 16. September
1867 (Gesetz-Samml. S. 1528) und des Gesetzes vom 11. März 1872 (Gesetz-
Samml. S. 257) aus der Staatskasse gewährten Renten und Fonds zu ver-
wenden. Sie erhalten dazu aus der Staatskasse einen Zuschuß?) in der Höhe
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Ju Anmerkung 2 auf S. 686.
Auch das Bundesamt für Heimathswesen hat seine in W. XVI. 92 abgedruckte Ent-
scheidung nicht aufrecht erhalten. Es vertritt in neueren Entscheidungen die Anstcht,
daß jene Kosten keine armenrechtlichen Kosten im Sinne des Reichsges. 6. Juni 1870
und daß zur Entscheidung der Streitigkeiten der Armenverbände über solche Kosten
die Spruchbehörden in Armenstreitsachen nicht zuständig wären, daß ferner ein event.
Eintreten des Land-Armenverbandes aus dem Ges. 13. März 1878 nicht gefolgert
werden könne. Wenn kein Orts-Armenverband vorhanden sei, der die Kosten zu tragen
habe, so werde dadurch der Provinzialverband der ihm durch §. 7 auferlegten Ver-
pflichtung, die Unterbringung herbeizuführen, nicht enthoben. In solchen Fällen sei
weder die Gemeinde des Aufenthaltsortes, noch die örtliche Polizeiverwaltung ver-
pflichtet, die Kosten vorzuschießen, vielmehr habe der Provinzialverband sie vorläufig
zu übernehmen und sich wegen der Erstattung an den seiner Meinung nach Ver-
pflichteten zu halten.
Vergl. Näheres bei W. XVIII. 126 ff., XIX. 148. Der preußische Ver-
waltungsbeamte wird sich trotz der sehr einleuchtenden Begründung des Bundesames
einstweilen an die Ansicht des Min. d. J. zu halten haben, doch wäre eine baldige
nochmalige Erwägung dieses Falles dringend wünschenswerth.
1) Das Vermögen der in Zwangserziehung untergebrachten Kinder darf zur Deckung
der durch die Zwangserziehung erwachsenden Kosten nur in Anspruch genommen werden,
wenn und insoweit es den Betrag von 300 Mark übersteigt, Res. 12. Juli 1882
(M. Bl. S. 210).
Wenn die Provinzialverwaltung geeignete Personen zur regelmäßigen Beaufsich-
tigung der in Anstalten oder in Familien zum Zwecke der Zwangserziehung unter-
gebrachten verwahrlosten Kinder bestellt, so sind die diesen Personen zur Deckung ihrer
Auslagen gezahlten Reisekosten und Tagegelder, ebenso wie alle übrigen Kosten des
Unterhaltes und der Erziehung, zur Hälfte aus Staatsfonds zu erstatten. Unmittel-
bare Staatsbeamte, welche die in Rede stehende Beaufsichtigung innerhalb ihres Amts-
bezirkes übernehmen, haben keinen Anspruch auf Reisekosten und Tagegelder, Res.
17. Nov. 1881 (M. Bl. S. 244).
Das Gleiche findet statt, wenn die Provinzialverwaltung bei der Unterbringung
von verwahrlosten Kindern und bei deren Entlassung aus der Zwangserziehung Beträge
bis zur Höhe von 90 Mark für die einzelnen Kinder verwendet, um die Zwecke der
Zwangserziehung, sei es durch Zahlung von Lehrgeld oder in anderer geeigneter
Weise, auch bei einem Wechsel in der Unterbringung zu fördern, Res. 12. Jan. 1882
(II. S. J. 3239).
Der durch den hier vorstehenden Erl. 12. Jan. 1882 aus Staatsmitteln be-
willigte Zuschuß von 45 Mark zur Verwendung als Lehrgeld oder in anderer Weise
für in Zwangserziehung untergebrachte Kinder ist durch Res. 14. Sept. 1882 (II.
8. J. 2322) für besondere Ausnahmefälle auf 100 Mark erhöht worden, wenn da-
durch für solche Zwangszöglinge, die als in sittlicher Beziehung gerenet angesehen
werden können, eine gründliche, voraussichtlich ihren künftigen Lebensunterhalt sicher
stellende Ausbildung in einem Handwerk oder sonstigen Gewerbe ermöglicht werden
kann, und Seitens der Provinzialverwaltung ein gleicher Betrag gewährt wird. Der
in Rede stehende Betrag darf auf mehrere Jahre vertheilt werden.
:) Vergl. Res. 23. März 1880 (M. Bl. S. 113), betr. die Zahlung und Ver-
rechnung des Staatszuschusses zu den Kosten der Unterbringung verwahrloster Kinder.
Zu den nach §. 12 aus der Staatskasse mit der Hälfte zu erstattenden Kosten
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