Abschnitt X. Gerichtsverfassung. Schöffengerichte. 693
im letzten Geschäftsjahret) die Verpflichtung eines Geschworenen, oder an wenigstens
fünf Sitzungstagen die Verpflichtung eines Schöffen erfüllt haben; 3. Aerzte; 4. Apo-
theker, welche keine Gehülfen haben; 5. Personen, welche das fünfundsechzigste
Lebensjahr zur Zeit der Aufstellung der Urliste vollendet haben oder dasselbe bis
zum Ablaufe des Geschäftsjahres vollenden würden; 6. Personen, welche glaubhaft
machen, daß sie den mit der Ausübung des Amis verbundenen Aufwand zu tragen
nicht vermögen.
§ 36. Der Vorsteher einer jeden Gemeinde oder eines landesgesetzlich der
Gemeinde gleichstehenden Verbandes hat alljährlich ein Verzeichniß der in der Ge-
meinde wohnhaften Personen, welche zu dem Schöffenamte berufen werden können,
aufzustellen (Urliste).
Die Urliste ist in der Gemeinde eine Woche lang zu Jedermanns Einsicht aus-
zulegen. Der Zeitpunkt der Auslegung ist vorher öffentlich bekannt zu machen.
§. 37. Gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Urliste kann innerhalb der
einwöchigen Frist schriftlich oder zu Protokoll Einsprache erhoben werden.
§. 38. Der Gemeindevorsteher sendet die Urliste nebst den erhobenen Einsprachen
und den ihm erforderlich erscheinenden Bemerken an den Amtsrichter des Bezirks.
Wird nach Absendung der Urliste die Berichtigung derselben erforderlich, so hat
der Gemeindevorsteher hiervon dem Amtsrichter Anzeige zu machen.
§. 39. Der Amtsrichter stellt die Urlisten des Bezirks zusammen und bereitet
den Beschluß über die Einsprachen gegen dieselben vor. Er hat die Beachtung der
Vorschriften des §. 36 Abs. 2 zu prüfen und die Abstellung etwaiger Mängel zu
veranlassen.
§. 40. Bei dem Amtsgerichte tritt alljährlich ein Ausschuß?) zusammen.
1) Darunter ist das Kalenderjahr zu verstehen, Res. 28. Juni 1879 (J. M.
Bl. S. 209) §F. 1.
2) Die Zusammensetzung des Ausschusses erfolgt alljährlich aufs Neue, Res.
I. Okt. 1879 (M. Bl. 1880 S. 51).
Der als Beisitzer des Ausschusses für die Auswahl der Schöffen eintretende
Staatsverwaltungsbeamte wird von dem Regierungspräsidenten bestellt. Zugleich ist
ein Stellvertreter zu bestellen, §. 34 Ausf. Ges. 24. April 1878.
Unter Staatsverwaltungsbeamten sind Beamte der unmittelbaren Staats-
verwaltung zu verstehen. Zu dieser Kategorie gehören — abgesehen von den Land-
räthen, Kreis-Sekretären und Oberamtmännern (im Regierungsbezirk Sigmaringen)
— die Distrikts-Kommissarien (in Posen), die Oberförster, Domänen-Beamten, König-
lichen Steuerempfänger, die Beamten der indirekten Stenuerverwaltung u. A., Res.
10. Mai 1879 (M. Bl. S. 145).
Es ist zulässig zur Ersparung von Kosten, aber nicht überall empfehlenswerth,
für mehrere Amtsgerichtsbezirke einen Staatsverwaltungsbeamten zu ernennen.
Bei jedem Amtsgericht ist, ohne Rücksicht auf die Zahl der Richter nur ein Aus-
schuß für die Auswahl der Schöffen erforderlich, Res. 22. Mai 1879 (M. Bl.
S. 145)
Was die Frage anlangt,
ob den ernaunten Staatsverwaltungsbeamten für die Wahrnehmung der
Funktion als Beisitzer des in Rede stehenden Ausschusses Diäten= und Reise-
kosten aus Staatsfonds zu zahlen seien,
so werden die bezüglichen Geschäfte in der Regel ohne solche Kosten abgewickelt werden
können. Wo dies nicht möglich ist, sind die Kosten auf die Staatskasse zu übernehmen,
Res. 22. Mai 1879 (M. Bl S. 146).
Die Vertrauensmänner des Ausschusses werden durch die Kreisvertretungen, in
den Hohenzollernschen Landen durch die Amtsvertretungen, — — — gewählt.
Erstreckt sich der Bezirk des Amtsgerichts über mehrere wahlberechtigte Verbände,
so ist die von jedem einzelnen Verbande zu wählende Anzahl der Vertrauensmänner
unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl durch den Amtsrichter zu bestimmen.
Die Vorschriften der §§. 32—35 Ger. Verf. Ges. über die Berufung zum
Schöffen= und Geschworenenamte finden auf die zu wählenden Vertrauensmänner
entsprechende Anwendung. Die Wahl erfolgt nach der absoluten Mehrheit der
Stimmen, §. 35 Ausf. Ges. 24. April 1878.