Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

702 Abschnitt X. Gerichtsverfassung. Oeffentlichkeit u. Sitzungspolizei. 
§. 168. Die Sicherheitsbeamten eines Bundesstaates sind ermächtigt, die Ver- 
folgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines anderen Bundesstaates fortzusetzen und 
den Flüchtigen daselbst zu ergreifen. 
Der Ergriffene ist unverzüglich an das nächste Gericht oder an die nächste Polizei- 
behörde des Bundesstaates, in welchem er ergriffen wurde, abzuführen. 
Vierzehnter Titel. Oeffentlichkeit und Sitzungspolizei. 
§. 170. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte, einschließlich der 
Verkündigung der Urtheile und Beschlüsse desselben, erfolgt öffentlich. 
8. 171. In Ehesachen ist die Oeffentlichkeit auszuschließen, wenn eine der Par- 
teien es beantragt. 
§. 172. In dem auf die Klage wegen Anfechtung oder Wiederaufhebung der 
Entmündigung einer Person wegen Geisteskrankheit eingeleiteten Verfahren (88. 605, 
620 der Civilprozeßordnung) ist die Oeffentlichkeit während der Vernehmung des Ent- 
mündigten auszuschließen, auch kann auf Antrag einer der Parteien die Oeffentlichkeit 
der Verhandlung überhaupt ausgeschlossen werden. 
Das Verfahren wegen Entmündigung oder Wiederaufhebung der Entmündigung 
(55.593— 604, 616—619 der Cidvilprozeßordnung) ist nicht öffentlich. 
S. 1731). In allen Sachen kann durch das Gericht für die Verhandlung 
oder für einen Theil derselben:) die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden, 
wenn sie eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staats- 
sicherheit oder eine Gefährdung der Sittlichkeit besorgen lässt. 
S. 174. Die Verkündung des Urtheils erfolgt in jedem Falle öffentlich. 
Durch einen besonderen Beschluss des Gerichts kann für die Verkündung 
der Urtheilsgründe oder eines Theils derselben die Oeffentlichkeit ausgeschlossen 
werden, wenn sie eine Gefährdung der Staatssicherheit oder der Sittlichkeit 
besorgen lässt. 
S. 175. Die Verhandlung über die Ausschliessung der Oeffentlichkeit findet 
in nicht öffentlicher Sitzung statt, wenn ein Betheiligter es beantragt oder das 
Gericht es für angemessen erachtet. Der Beschluss, welcher die Oeffentlichkeit 
ausschliesst, muss öffentlich verkündet werden. Bei der Verkündung ist an- 
zugeben, ob die Ausschliessung wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung 
insbesondere wegen Gefährdung der Staatssicherheit, oder ob sie wegen Ge- 
fährdung der Sittlichkeit erfolgt. 
Ist die Oeffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatsicherheit ausgeschlossen, 
so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von That- 
sachen, welche durch die Verhandlung, durch die Anklageschrift oder durch 
andere amtliche Schriftstücke des Prozesses zu ihrer Kenntniss gelangen, zur 
Pflicht") machen. Der Beschluss ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. 
Gegen denselben findet Beschwerde statt. Die Beschwerde hat keine auf- 
schiebende Wirkung. 
S. 176. Der Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen kann unerwachsenen 
  
9 Die §§. 173—176 sind oben in der Fassung Ges. 5. April 1888 (R. G. Bl. 
S. 133) abgedruckt. 
s Vergl. jedoch S#. 174, 175 Abs. 1 Ger. Verf. Ges. und 8§. 281, 288 Abs. 2 
tr. P. O. 
8) Vergl. Art. IV Ges. 5. April 1888 oben als Abs. 2 zu §. 184 R. Str. 
G. B. abgedruckt. 
) Art. II. [Vergl. hierzu Ges. 5. April 1888 (R. G. Bl. S. 134)]. Wer die 
nach 8. 175 Abs. 2 ihm auferlegte Pflicht der Geheimhaltung durch unbefugte Mit- 
theilung verletzt, wird mit Geldbuße bis zu eintausend Mark oder mit Haft oder mit 
Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. 
Art. III. Soweit bei einer Gerichtsverhandlung die Oeffentlichkeit wegen Ge- 
fährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen war, dürfen Berichte über die Verhandlung 
durch die Presse nicht veröffemlicht werden. Das Gleiche gilt auch nach der Be- 
endigung des Verfahrens in Betreff der Veröffentlichung der Anklageschrift oder anderer 
amtlicher Schriftstücke des Prozesses. " 
Zuwiderhandlungen unterliegen der im Art. II bestimmten Strafe.
	        
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