Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt X. Gerichtsverfassung. Berathung und Abstimmung. 703 
und solchen Personen versagt werden, welche sich nicht im Besitz der bürger- 
lichen Ehrenrechte befinden oder welche in einer, der Würde des Gerichtes 
nicht entsprechenden Weise erscheinen. 
Zu nicht öffentlichen Handlungen kann der Zutritt einzelnen Personen 
vom Gerichte verstattet werden. Einer Anhörung der Betbeiligten bedarf 
es nicndb. 
Die Ausschliessung der Oeffentlichkeit steht der Anwesenheit der die Dienst- 
aufsicht führenden Beamten der Justizverwaltung bei den Verhandlungen vor 
dem erkennenden Gerichte nicht entgegen. 
g. 11. Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung liegt dem Vor- 
tenden ob. 
s 8. 178. Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhand- 
lung nicht betheiligte Personen, welche den zur Aufrechterhaltuug der Ordnung er- 
lassenen Befehlen nicht gehorchen, können auf Beschluß des Gerichts aus dem Sitzungs- 
zimmer entfernt, auch zur Haft abgeführt und während einer in dem Beschlusse zu 
bestimmenden Zeit, welche vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten 
werden. 
§. 179. Das Gericht kann gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige 
oder bei der Verhandlung nicht betheiligte Personen, welche sich in der Sitzung einer 
Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung, eine Ord- 
nungsstrafe bis zu einhundert Mark oder bis zu drei Tagen Haft festsetzen und 
sofort vollstrecken lassen. 
8. 180. Das Gericht kann gegen einen bei der Verhandlung betheiligten Rechts- 
anwalt oder Vertheidiger, der sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig macht, 
vorbehaltlich der strafgerichtlichen oder disziplinaren Verfolgung, eine Ordnungsstrafe 
bis zu einhundert Mark festsetzen. 
#§. 181. Die Vollstreckung der vorstehend bezeichneten Ordnungsstrafen hat der 
Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen. 
#§. 182. Die in den 8§§. 177—181 bezeichneten Befugnisse stehen auch einem 
einzelnen Richter bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der Sitzung zu. 
#§. 183. Ist in den Fällen der §8§. 179, 180, 182 eine Ordnungsstrafe fest- 
gesetzt, so findet binnen der Frist von einer Woche) nach der Bekanntmachung der 
Entscheidung Beschwerde statt, sofern die Entscheidung nicht von dem Reichsgericht 
oder einem Oberlandesgericht getroffen ist. 
Die Beschwerde hat in dem Falle des §. 179 keine aufschiebende Wirkung, in 
den Fällen des §. 180 und des §. 182 aufschiebende Wirkung. 
Ueber die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. 
g. 184. Ist eine Ordnungsstrafe wegen Ungebühr festgesetzt, oder eine Person 
zur Haft abgeführt, oder eine bei der Verhandlung betheiligte Person entfernt worden, 
so ist der Beschluß des Gerichts und dessen Veranlafssung in das Protokoll aufzunehmen. 
§. 185. Wird eine strafbare Handlung in der Sitzung begangen, so hat das 
Gericht den Thatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber auf- 
genommene Protokoll mitzutheilen. In geeigneten Fällen ist die vorläufige Festnahme 
des Thäters zu verfügen. 
Sechszehnter Titel. Berathung und Abstimmung. 
s. 194. Bei Entscheidung dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten An- 
zahl mitwirken. 
Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von 
Ergänzungsrichtern anordnen, welche der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der 
Verhinderung eines Richters für denselben einzutreten haben. 
Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf Schöffen und Geschworene 
Anwendung. 
S. 195. (Ges. 5. April 1888.) Bei der Berathung und Abstimmung dürfen 
ausser den zur Entscheidung berufenen Richtern nur die bei demselben Gerichte 
1) In Konfulargerichtssachen und in den Schutzgebieten 2 Wochen, Ges. 10. Juli 
1879 (R. G. Bl. S. 197) §. 13, Ges. 17. April 1886 (R. G. Bl. S. 75, neue 
Fassung R. G. Bl. 1888 S. 75) §. 2.
	        
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