62 Abschnitt II. Reglement für die Wahlen zum Abgeordnetenhause.
Reglement über die Ausführung der Wahlen zum Hause der Abgeordneten für
den Umfang der Monarchie mit Ausnahme der Hohenzollernschen Lande y.
Vom 18. September 1893.
I. Wahl der Wahlmänner.
§. 1. Die Landräthe oder, im Falle des §. 6 der Verordnung vom 30. Mai
1849, die Gemeinde-Verwaltungs-Behörden, haben die Aufstellung der Urwählerlisten
zu veranlassen (§. 15 der Verordnung).
Dieselben Behörden haben gleichzeitig die Urwahl-Bezirke (§§. 5, 6, 7 der Ver-
ordnung) abzugrenzen und die Zahl der auf jeden derselben fallenden Wahlmänner
(5§. 4, 6, 7 der Verordnung) festzusetzen.
Die Zahl der Wahlmänner des Urwahl-Bezirkes und dessen allgemeine Ab-
grenzung ist auf der Urwählerliste (§. 3 des Reglements) anzugeben.
§. 2. Kein Urwahl-Bezirk darf weniger als 750 und mehr als 1749 Seelen
umfassen.
Bei Berechnung der Seelenzahl sind die zum aktiven Heere gehörigen Militär-
personen der Civilbevölkerung hinzuzuzählen.
Maßgebend ist die bei der letzten allgemeinen Volkszählung ermittelte ortsanwesende
Bevölkerung.
Wird danach bei der Bildung der Urwahl-Bezirke die Zusammenlegung von
Gemeinden (Orts-Kommunen, selbständigen Gutsbezirken u. s. w.) aus verschiedenen
Amtsbezirken der im §. 1 des Reglements bezeichneten Behörden erforderlich, so sind
Keiher die näheren Anordnungen durch die nächst höhere Verwaltungs-Behörde zu
treffen.
Die Bewohner der von ihrem Hauptlande getreunt liegenden Gebietstheile müssen,
soweit sie in sich keinen Urwahl-Bezirk bilden können, mit nächstgelegenen Gemeinden
ihres Hauptlandes zusammengelegt werden.
Sonst muß jeder Urwahl-Bezirk ein möglichst zusammenhängendes und abge-
rundetes Ganzes bilden.
§. 3. Die Aufstellung der Urwählerliste liegt der Gemeinde-Verwaltungsbehörde
(in selbständigen Gutsbezirken dem Gutsvorsteher) ob. In Gemeinden, die in mehrere
Urwahl-Bezirke getheilt sind, erfolgt die Aufstellung der Urwählerlisten nach den ein-
zelnen Bezirken.
Bei jedem einzelnen Namen ist der Betrag der direkten Staatssteuern (Ein-
kommensteuer, Gewerbesteuer einschließlich der Betriebssteuer, Grund= und Gebände-
steuer) anzugeben, den der Urwähler in der Gemeinde oder in dem aus mehreren
Gemeinden zusammengesetzten Urwahl-Bezirk zu entrichten hat.
Vom 1. April 1895 ab erstreckt sich der anzusetzende Steuerbetrag nicht nur auf
die dann noch zur Hebung gelangenden direkten Staatsstenern (Einkommen= nebst
Ergänzungssteuer und Gewerbesteuer für den Gewerbebetrieb im Umherziehen), sondern
auch auf die direkten Gemeinde-, Kreis- und Provinzialsteuern — in der Provinz
Hessen-Nassau auch Bezirkssteuern —, welche der Urwähler zu entrichten hat. Dabei
treten an Orten, wo direkte Gemeindesteuern nicht erhoben werden, an deren Stelle
die vom Staat veranlagte Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer.
Direkte Steuern, welche außerhalb der Gemeinde oder des aus mehreren Ge-
meinden zusammengesetzten Urwahl-Bezirks in Preußen zu entrichten sind, kommen auf
Antrag des betreffenden Urwählers mit zur Anrechnung, wenn ihr Betrag der mit
Ausstellung der Urwählerliste betrauten Behörde spätestens innerhalb der in §. 4 des
Reglements vorgeschriebenen Einspruchsfrist glaubwürdig nachgewiesen wird.
Für jede nicht zur Staatseinkommensteuer veranlagte Person ist an Stelle dieser
Steuer ein Betrag von 3 Mark zum Ansatz zu bringen. Dies hat auch in dem
Falle zu geschehen, daß für einen solchen Urwähler eine andere, von ihm zu ent-
richtende direkte Staats= oder Gemeindesteuer anzurechnen ist.
In Helgoland ist nur die dort zur Hebung kommende Einkommensteuer in Au-
rechnung zu bringen.
§. 4. Die Urwählerliste ist von der Gemeinde-Verwaltungs-Behörde in jeder
Gemeinde (Ortskommune, selbständigem Gutsbezirke u. s. w.) drei Tage lang öffent-
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1) Für diese gilt Regl. 4. Sept. 1882 (Hohenz. Amtsbl. 1882 Beil. zu Nr. 37).