100 Abschnitt XXXIII. R. Gew. Ordn. Gewerbliche Arbeiter.
sind, dürfen, so lange ihnen diese Rechte entzogen bleiben, mit der Anleitung
von Arbeitern unter achtzehn Jahren sich nicht befassen.
Die Entlassung der dem vorstehenden Verbote zuwider beschäftigten Arbeiter
kann polizeilich erzwungen werden.
§. 1071). Minderjährige Personen dürfen, soweit reichsgesetzlich nicht ein
Anderes zugelassen ist, als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn sie mit einem
Arbeitsbuche versehen sind. Bei der Annahme solcher Arbeiter hat der Arbeit-
geber das Arbeitsbuch einzufordern. Er ist verpflichtet, dasselbe zu verwahren,
auf amtliches Verlangen vorzulegen und nach regelmäßiger Lösung des Arbeits-
verhältnisses wieder auszuhändigen. Die Aushändigung erfolgt an den Vater
oder Vormund, sofern diese es verlangen, oder der Arbeiter das sechzehnte
Lebensjahr noch nicht vollendet hat, andernfalls an den Arbeiter selbst. Mit
Genehmigung der Gemeindebehörde des im §. 108 bezeichneten Ortes kann die
Aushändigung des Arbeitsbuches auch an die Mutter oder einen sonstigen An-
gehörigen oder unmittelbar an den Arbeiter erfolgen.
Auf Kinder, welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, finden
vorstehende Bestimmungen keine Anwendung.
§. 108. Das Arbeitsbuch wird dem Arbeiter durch die Polizeibehörde
desjenigen Ortes, an welchem er zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt
hat, wenn aber ein solcher im Gebiete des Deutschen Reichs nicht stattgefunden
hat, von der Polizeibehörde des von ihm zuerst erwählten deutschen Arbeits-
ortes kosten= und stempelfrei ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt auf Antrag
oder mit Zustimmung des Vaters oder Vormundes; ist die Erklärung des Vaters
nicht zu beschaffen, oder verweigert der Vater die Zustimmung ohne genügenden
Grund und zum Nachtheile des Arbeiters, so kann die Gemeindebehörde? die
Zustimmung desselben ergänzen. Vor der Ausstellung ist nachzuweisen, daß der
Arbeiter zum Besuche der Volksschule nicht mehr verpflichtet ist, und glaubhaft
zu machen, daß bisher ein Arbeitsbuch für ihn noch nicht ausgestellt war.
§. 109. Wenn das Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder nicht mehr
brauchbar, oder wenn es verloren gegangen oder vernichtet ist, so wird an
Stelle desselben ein neues Arbeitsbuch ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt
durch die Polizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem der Inhaber des Ar-
beitsbuches zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat. Das ausgefüllte oder
nicht mehr brauchbare Arbeitsbuch ist durch einen amtlichen Vermerk zu schließen.
Wird das neue Arbeitsbuch an Stelle eines nicht mehr brauchbaren, eines
verloren gegangenen oder vernichteten Arbeitsbuches ausgestellt, so ist dies
darin zu vermerken. Für die Ausstellung kann in diesem Falle eine Gebühr
bis zu fünfzig Pfennig erhoben werden.
§. 110. Das Arbeitsbuch (§F. 108) muß den Namen des Arbeiters, Ort,
Jahr und Tag seiner Geburt, Namen und letzten Wohnort seines Vaters oder
Vormundes und die Unterschrift des Arbeiters enthalten. Die Ausstellung erfolgt
unter dem Siegel und der Unterschrift der Behörde. Letztere hat über die von
ihr ausgestellten Arbeitsbücher ein Verzeichniß zu führen).
Die Einrichtung der Arbeitsbücher wird durch den Reichskanzler bestimmt 0.
8. 111. Bei dem Eintritte des Arbeiters in das Arbeitsverhältniß hat
1) Vergl. zu §§. 107 ff. Ausf. Anw. 26. Febr. 1892 Abschn. A. (weiter unten).
Die Beschaffung der Arbeitsbücher liegt denen ob, welche die sächlichen Ausgaben
der Polizeiverwaltung zu tragen haben, Res. 25. Febr. 1879 (M. Bl. S. 97).
Ein Arbeitsbuch ist für solche Arbeiter nothwendig, die als gewerbliche Arbeiter
beschäftigt werden. In welcher Eigenschaft sie angenommen find (z. B. als Ge-
finde), ist gleichgültig, desgl. ob die Beschäftigung dauernd oder vorübergehend ist,
Erk. O. Trib. 25. Febr. 1875 (O. R. XVI. 158). Erfolgt die Beschäftigung bei
Angehörigen, so ist das Arbeitsbuch nothwendig, falls ein Arbeitsverhältniß im Sinne
des Tit. VII vorliegt.
:) D. i. der Gemeindevorstand, Ausf. Anw. 4. Sept. 1869 Nr. 25 und Bek.
4. März 1892 (M. Bl. S. 115) Nr. 3. *
:) Arbeitsbücher find keine Beweisurkunden für die eingetragenen Angaben über
die Person. Eine Eintragung einer falschen Geburtszeit ist daher nicht Urkunden-
fälschung und nicht strafbar, E. Crim. XX. 249, XXI. 31.
1) Ausf. Anw. 26. Febr. 1892 Nr. VI.