Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

1100 Abschnitt XXXVIII. Kreis-Ordnung für die östlichen Provinzen. 
zeeleten geordneten Mitwirkung des Bezirksausschusses und des Provinzial- 
rathes. 
Beschwerden an die Aufsichtsbehörde in Kreisangelegenheiten sind in allen 
Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen. « 
§. 177a. Die Aufsichtsbehörden haben mit den ihnen in den Gesetzen zu- 
gewiesenen Mitteln darüber zu wachen, daß die Verwaltung den Vorschriften 
der Gesetze gemäß geführt und in geordnetem Gange erhalten werde. 
Die Aufsichtsbehörden sind zu dem Ende befugt, über alle Gegenstände 
der Verwaltung Auskunft zu erfordern, die Einsendung der Akten, insbesondere 
auch der Haushaltsetats und der Jahresrechnungen zu verlangen, sowie Ge- 
schäfts= und Kassenrevisionen an Ort und Stelle zu veranlassen. 
§. 178. Beschlüsse des Kreistages, der Kreiskommissionen, sowie in 
Kommunalangelegenheiten des Kreises gefaßte Beschlüsse des Kreisausschusses 1), 
welche deren Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen?), hat der Land- 
rath, entstehenden Falls auf Anweisung der Aufsichtsbehörde :), unter Angabe 
der Gründe, mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. 
Gegen die Verfügung des Landraths steht dem Kreistage, der Kreis- 
Kommission beziehungsweise dem Kreisausschusse innerhalb zwei Wochen die 
Klage bei dem Bezirksausschusse zut). Dieselben können zur Wahrnehmung 
ihrer Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen besonderen Vertreter bestellen. 
Auflösung des Kreistages durch Königliche Verordnung. 
§. 179. Auf Antrag des Staatsministeriums kann ein Kreistag durch 
Königliche Verordnung aufgelöst werden. Es sind sodann Neuwahlen, anzu- 
  
1) Hiermit find nur solche Beschlüsse gemeint, die der Kreisausschuß in den 
eigenen Angelegenheiten der Kreiskorporation als deren Organ — im Gegensatz zu 
seiner Thätigkeit als staatliches Organ — gefaßt hat, E. O. B. X. 44. 
Die Beschlüsse, die der Kreisausschuß in Ausübung staatlicher Funktionen 
faßt, unterliegen also nicht den Bestimmungen des §. 178, so namentlich nicht seine 
Beschlüsse in Ausübung der Disziplinargewalt über Kreisbeamte, Erk. 23. Jan. 1878 
(E. O. B. III. 59). (In casu erachtete das O. V. G. die Klage eines Landrathes 
auf Aufhebung der durch den Kreisausschuß gegen den die Kreiskommunalkasse ver- 
waltenden Königlichen Freisstenereinnehmer verhängte Ordnungsstrafe als unzulässig.) 
Auf Beschlüsse, die der Kreisausschuß in seiner Eigenschaft als staatliche Beschlußbe- 
hörde faßt, findet S. 126 L. B. G. Anwendung. Jene Beschlüsse können also nicht 
beanstandet, sondern nur mittelst Klage angefochten werden. 
2) Jeder Beschluß, der gegen die in ihrem wahren Sinne durch die Regeln der 
Auslegung festgestellte gesetzliche Norm verstößt, enthält eine Verletzung der Gesetze. 
Eine Unterscheidung zwischen unrichtiger Auslegung des Gesetzes und Gesetzesverletzung 
hat für die gedachten Beschlüsse keine praktische Bedeutung, Erk. O. B. G. 19. Mai 
1881 (E. O. B. VII. 118). 
3) Das Einschreiten der Aufsichtsbebörde setzt ein von der Behörde wahrzu- 
nehmendes öffentliches Interesse voraus, E. O. V. VIII. 48. Beschlüsse, die der 
höheren Genehmigung bedürfen, um vollstreckbar zu werden, können, so lange sie 
nicht bestätigt sind, nicht beanstandet werden, E. O. V. VI. 68, XXIV. 18. 
4) Zweck der Bestimmung des §. 178 ist, zu verhindern, daß ein die Befugnisse 
des Kreistages überschreitender Beschluß zur Ausführung gelange und demzufolge hat 
das Verwaliungsgericht den beanstandeten Beschluß entweder aufrecht zu erhalten oder 
aufzuheben; es ist nicht befugt, ihn zu modifiziren oder zu ergänzen, E. O. B. VI. 74, 
X. 45, XVII. 33. 
Die Kosten des Berfahrens fallen, wenn die beanstandende Behörde in dem dem- 
nächstigen Streitverfahren unterliegt, der Staatskasse zur Last, Erk. 3. Jan. 1881 
(E. O. V. VII. 88); vergl. Erk. O. V. G. 8. Dez. 1879 (E. O. V. VII. 24). 
Das Recht und die Pflicht der Verwaltungsgerichte, auf erhobene Klage die be- 
strittene Rechtsgültigkeit von Kreistagsbeschlüssen zu prüsen, aus denen eine Ver- 
pflichtung zu Leistungen hergeleitet wird, erstreckt sich auch auf diejenigen Kreistags- 
beschlüsse, die gesetzlich einer Bestätigung bedürfen und bezw. bestätigt worden sind, 
Erk. O. B. G. 6. Nov. 1882.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.