Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

106 Abschnitt XXXIII. R. Gew. Ordn. Gewerbliche Arbeiter. 
werden 1). Insbesondere können durch statutarische Bestimmungen die zur Siche- 
rung eines regelmäßigen Schulbesuchs den Schulpflichtigen, sowie deren Eltern, 
Vormündern und Arbeitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und die- 
jenigen Vorschriften erlassen werden, durch welche die Ordnung in der Fort- 
bildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schüler gesichert wird. Von 
der durch statutarische Bestimmung begründeten Verpflichtung zum Besuch einer 
Fortbildungsschule sind diejenigen befreit, welche eine Innungs= oder eine andere 
Fortbildungs= oder Fachschule besuchen, sofern der Unterricht dieser Schule von 
der höheren Verwaltungsbehörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen 
Fortbildungsschulunterrichts anerkannt wird?). 
§. 120a"). Die Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, die Arbeitsräume, 
  
1) Ein Ortsstatut, das den Schülern bei Bermeidung von Strafe die Beschaffung 
der ihnen als nöthig bezeichneten Lehrmittel aufgiebt, ist gültig, E. K. XIII. 279. 
:) Zuständigkeiten: Bek. 4. März 1892 (M. Bl. S. 115) Nr. 1, 6. 
3) Die Borschriften in den 88. 120 a—120e gelten für alle der Gew. O. unter- 
stehenden Gewerbetreibenden einschließlich der Handwerker und Hausgewerbetreibenden, 
also auch z. B. für Eisenbahnreparaturwerkstätten, E. Civ. VIII. 149. Sie find 
öffentlich rechtlicher Natur und unterliegen keiner Abänderung durch Privatwillkür. 
Der Arbeitnehmer kann also nicht auf die Entschädigung für den Schaden verzichten, 
welcher ihm erwächst, wenn der Arbeitgeber die in Abs. 3 vorgeschriebenen Ein- 
richtungen unterläßt, Erk. R. G. 5. Dez. 1882 (R. und St. A. 30. März 1883, 
Beilage 3). 
Der Unternehmer hat selbständig zu prüfen, welche Einrichtungen nothwendig 
find, und muß daher die Fürsorge eines sorgfältigen Gewerbetreibenden derfelben 
Branche anwenden. Daß andere Betriebsstätten die Einrichtung nicht haben, ent- 
schuldigt nicht ohne Weiteres. Es ist unerheblich, ob der Unternehmer die Noth- 
wendigkeit der Einrichtung erkannt hat oder nicht, es kommt darauf an, ob er sie 
hätte erkennen müssen, E. Civ. XII. 130; XVII. 221; er muß auch damit rechnen, 
daß die Arbeiter nicht immer mit der nöthigen Aufmerksamkeit verfahren, oder ver- 
fahren können, E. Civ. XIX. 191. 
Unter den Einrichtungen, deren Herstellung und Unterhaltung dem Gewerbe- 
unternehmer zur Pflicht gemacht ist, find nicht bloß dauernde Anlagen, auch nicht 
bloß solche Eiurichtungen zu verstehen, die mit der Gewerbeanlage in Verbindung 
gebracht werden müssen und es gehören dazu insbesondere auch Schutzbrillen, wenn 
nach der Art des Gewerbebetriebes deren Benutzung zu thunlichster Sicherheit gegen 
Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendig ist. Der Gewerbeunternehmer hat alle 
erforderlichen Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, d. h. diese Herstellung 
und Unterhaltung auf eigene Kosten zu besorgen, Erk. 8. Febr. 1884 (E. Civ. XI. 23). 
Der Gewerbeunternehmer hat nicht bloß für solche Schutzvorrichtungen zu sorgen, die 
geeignet find, einen absoluten Schutz gegen die mit dem Fabrikbetriebe verbundenen 
Gefahren zu gewähren, sondern auch solche, die geeignet sind, diese Gefahren in er- 
heblichem Grade zu vermindern, Erk. 23. Dez. 1879 und 1. Juni 1880 (E. Civ. 
I. 271 und 275); dagegen hat er nicht die Verpflichtung, bis jetzt unbekannte Schutz- 
vorrichtungen neu aufzufinden, sondern begnügt sich mit der Anwendung der bekannten, 
Erk. 26. Juni 1880 (Rechtspr. II. 252). 
Es kann von dem Gewerbetreibenden nicht gefordert werden, daß er durch be- 
stimmte Einrichtungen alle Gefahren für die Arbeiter zum voraus beseitige. Das 
Gesetz verpflichtet ihn nur zur thunlichsten Schonung der Arbeiter und giebt dadurch 
von selbst dem billigen und vernünftigen Ermessen Raum. Der §. 120 kann nur 
auf die Herstellung und Ueberwachung der geeigneten Schutzvorkehrungen, nicht aber 
auch auf die gehörige Beaufsichtigung in deren Anwendung durch Betriebsbeamte be- 
zogen werden, sobald der Unternehmer sich bei dem Betriebe solcher Angestellten be- 
dienen muß und thatsächlich solcher bedient. Für ein etwaiges Verschulden der letzteren 
haftet der Gewerbetreibende nur unter der Voraussetzung, daß er entweder nach den 
Grundsätzen des Agquilischen Gesetzes oder nach §. 2 Reichshaftpflichtges. die Verant- 
wortlichkeit für seine Stellvertreter hat, Erk. R. G. 26. Sept. 1882 (E. Civ. VIII. 51). 
Wenn ein Gewerbeunternehmer die erforderlichen Schutzvorkehrungen nicht 
herstellt und in Folge dessen Arbeiter Schaden leiden, so hängt seine Verpflichtung 
zum Schadensersatz nicht davon ab, ob er die Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.