1130 Abschnitt XXXIX. Landesverwaltungs-Gesetz.
Verhandlung enthalteni). Dasselbe wird von dem Vorsitzenden und dem Pro-
tokollführer unterzeichnet.
8. 76. Das Gericht ist befugt — geeigneten Falls schon vor Anberau-
mung der mündlichen Verhandlung — Untersuchungen an Ort und Stelle zu
veranlassen, Zeugen und Sachverständige:) zu laden und eidlich zu vernehmen,
überhaupt den angetretenen oder nach dem Ermessen des Gerichts erforderlichen
Beweis in vollem Umfange zu erheben.
§. 77. Das Gericht kann die Beweiserhebung durch eines seiner Mit-
glieder erforderlichen Falls durch eine zu dem Ende zu ersuchende sonstige
Behörde bewirken lassen. Es kann verordnen, daß die Beweiserhebung in der
mündlichen Verhandlung stattfinden soll.
Die Beweisverhandlungen sind unter Zuziehung eines vereidigten oder von
der betreffenden Behörde durch Handschlag zu verpflichtenden Protokollführers
aufzunehmen; die Parteien sind zu denselben zu laden.
8. 78. Hinsichtlich der Verpflichtung, sich als Zeuge oder Sachverständiger
vernehmen zu lassen, sowie hinsichtlich der im Falle des Ungehorsams zu ver-
hängenden Strafen kommen die Bestimmungen der bürgerlichen Prozeßgesetze)
mit der Maßgabe zur Anwendung, daß im Falle des Ungehorsams die
zu erkennende Geldbuße den Betrag von Einhundertfünfzig Mark nicht über-
steigen darf.
Gegen die eine Strafe oder die Nichtverpflichtung des Zeugen oder Sach-
verständigen aussprechende Entscheidung steht den Betheiligten innerhalb zwei
Wochen die Beschwerde an das im Instanzenzuge zunächst vorgesetzte Gericht,
gegen die in zweiter Instanz ergangene Entscheidung des Bezirksausschusses die
weitere Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu.
§. 79. Das Gericht hat nach seiner freien, aus dem ganzen Inbegriffe
der Verhandlungen und Beweise geschöpften Ueberzeugung zu entscheiden ).
Beim Ausbleiben der betreffenden Partei oder in Ermangelung einer Erklärung
derselben können die von der Gegenpartei vorgebrachten Thatsachen für zu-
gestanden erachtet werden ). Die Entscheidungen dürfen nur die zum Streit-
berlaßren vorgeladenen Parteien und die in demselben erhobenen Ansprüche
etreffens).
1) Nicht aber aus den Akten erhellende Thatsachen und Erklärungen wiederholen,
E. O. B. VIII. 359. «
2)Bergl.über«denSachverständigenbeweisE.O.B.V111.178;X11.433
(Unzuverlässigkeit des Gutachtens eines Mitgliedes des vorinstanzlichen Gerichts). Der
Berufungsrichter ist aber befugt, von dem Landrathe oder Amtsvorsteher trotz ihrer
Theilnahme an der Entscheidung erster Instanz Auskunft über gewisse, ihrer amtlichen
Kenniniß unterliegende Thatsachen zu fordern, Erk. O. B. G. 2. Febr. 1884 Nr. l.
230 und 18. April 1893 Nr. 1IV. 378.
Der Parteieneid ist im Berwaltungsstreitwerfahren nicht zulässig, E. O. B. IX.
82, X 334, desgl. der Editionseid, XXIV. 276.
3) §§. 345 ff. 372 C. Pr. O.
4) Kommen öffentliche Interessen in Frage, so ist es an die Anträge der Parteien
nicht unbedingt gebunden, E. O. V. I. 311. Ebensowenig ist der Richter verpflichtet,
einen von der Partei angeretenen Beweis zu erheben, wenn er die zu beweisende
Thatsache für unerheblich erachtet, E. O. V. I. 303, IV. 384. Der Verwaltungs-
richter muß über den ganzen Anspruch endgültig erscheinen, nicht etwa bloß über den
Grund und nicht über den Betrag, E. O. V. XIV. 288, XXIV. 98. Begründete
Ansprüche können nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil sie mit unbegründeten
verbunden sind, E. O. V. XXIII. 292.
5) Eine Vernrtheilung auf einer Grundlage, zu deren Anfechtung die Partei
überhaupt nicht in der Lage gewesen ist, darf nicht statifinden, E. O. V. I. 313,
XII. 64, XVII. 14, XX. 191,. XXV. 101. Dieser Grundsatz greift auch für den
erhobenen Sachverständigenbeweis Platz, E. O. V. XXVII. 318.
5) Vergl. E. O. V. XV. 207, XIX. 217. Eine plus petitio summa recht-
sertigt uur line Herabsetzung, nicht aber eine gänzliche Zurückweisung des Anspruches,
DO. V. IX. 82.