Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

1134 Abschnitt XXXIX. Landesverwaltungs-Gesetz. 
§. 97. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung an die- 
jenigen Gründet) nicht gebunden, welche zur Rechtfertigung der gestellten An- 
träge geltend gemacht worden sind. » 
§. 98. Erachtet das Oberverwaltungsgericht die Revision für begründet, 
so hebt es die angefochtene Entscheidung auf und entscheidet in der Sache selbst, 
wenn diese spruchreif erscheint. Die Zufertigung der Entscheidung erfolgt durch 
Vermittelung desjenigen Gerichts, welches in erster Instanz entschieden hat. 
§. 99. Ist die Sache nicht spruchreif, so weist das Oberverwaltungs- 
gericht dieselbe zur anderweitigen Entscheidung an die dazu nach der Sachlage 
greigrete Instanz zurück und verordnet die Wiederholung oder Ergänzung des 
2 zesen, soweit es nach seinem Ermessen mit einem wesentlichen Mangel 
ehaftet ist. 
§. 100. Gegen die im Verwaltungsstreitverfahren ergangenen, rechtskräftig 
gewordenen Endurtheile findet die Klage auf Wiederaufnahme des Ver- 
fahrens unter denselben Voraussetzungen, in demselben Umfange und innerhalb 
derselben Fristen statt, wie nach den bürgerlichen Prozeßgesetzen die Nichtigkeits- 
klage beziehungsweise die Restitutionsklage:). Zuständig ist ausschließlich das 
Oberverwaltungsgericht. Erachtet das Oberverwaltungsgericht die Klage für 
begründet, so hebt es die angefochtene Entscheidung auf, verweist die Sache 
zur anderweitigen Entscheidung an die dazu nach der Sachlage geeignete In- 
stanz und verordnet die Wiederholung oder Ergänzung des Verfahrens, soweit 
dasselbe von dem Anfechtungsgrunde betroffen wird. 
§. 101. Das Gericht, an welches die Sache in den Fällen der 88. 99, 
100 gewiesen wird, hat bei dem weiteren Verfahren und bei der von ihm 
anderweitig zu treffenden Entscheidung die in dem Aufhebungsbeschlusse des 
Oberverwaltungsgerichts aufgestellten Grundsätzes), sowie in den Fällen des 
§. 100 die dem Aufhebungsbeschlusse zu Grunde gelegten thatsächlichen Fest- 
stellungen als maßgebend zu betrachten. 
4. Von den Kosten des Verwaltungsstreitverfahrens. 
§. 102. Das Verwaltungsstreitverfahren ist stempelfrei“). 
§. 103. Dem unterliegenden Theile sind die Kosten und die baaren Aus- 
lagens) des Verfahrens, sowie die erforderlichen baaren Auslagen des obsiegenden 
  
1) Der Revisionsrichter ist nicht befugt, die Vorentscheidung in Beziehung auf 
ihre thatsächlichen Unterlagen und auf die unmitelbar hiermit im Zusammen- 
hange stehenden Feststellungen zu prüfen, E. O. B. III. 167. 
2) C. Pr. O. 88. 541—546, 548—552. Gegen Vorentscheidungen über Kon- 
flikte bei der gerichtlichen Verfolgung von Beamten findet die Klage auf Wieder- 
aufnahme nicht statt, E. O. V. XXV. 420, desgl. nicht gegen die im Disziplinar- 
verfahren ergangenen Endurtheile, Besch. O. V. G. 15. Nov. 1890 O. J. Nr. 106, 
und gegen die in Streitigkeiten zweier Armenverbände gemäß Zust. Ges. K. 39 er- 
gangenen Urtheile des Bezirksausschusses, Erk. O. V. G. 12. März 1895 Nr. I. 438. 
Die Kintigteiteklage kann auf §. 29 Ges. 3. Juli 1875 gestützt werden, E. O. B. 
3) Unter Grundsätzen find nur Rechtsgrundsätze zu verstehen, Erk. O. V. G. 
11. Jan. 1886 Nr. II. 42. Werden neue Thatsachen und Beweismittel vorgebracht 
und dadurch der für die Rechtsgrundsätze maßgebende Thatbestand abgeändert, so kann 
und muß von ihnen abgewichen werden, E. O. V. XIX. 83. 
4) Hinsichtlich der Bollmachten findet die Stempelfreiheit im Allgemeinen nicht 
statt; wezen Berwendung der Bollmachtstempel s. Res. 26. Juni 1896 (M. Bl. 
S. 116), wohl aber in Streitsachen zwischen Armenverbänden, Res. 15. April 1877 
5) Wegen Erstattung der baaren Auslagen der Amtsvorsteher, wenn sie als Partei 
das öffentliche Interesse wahrnehmen, vergl. Berf. O. B. G. 22. Sept. 1880 (C. 
VII. 400 und M. Bl. 1881 S. 125). 
Die dem Landrath bezw. dem Oberpräsidenten als letzter Verwaltungs-Instanz 
zur Last gelegten baaren Auslagen sind in Verwaltungsstreitsachen, wenn die ange- 
fochtene Verfügung von dem Landrath als Organ der Landespolizeibehörde 
erlassen war, auf die Staatskasse (Fonds zu Prozeßkosten u. s. w. Kap. 6 Titel 15 
des Etats des Finanzministeriums) zu übernehmen; wenn die Verfügung von dem
	        
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