Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

1161 Abschnitt XXXIX. Zuständigkeits-Gesetz. 
§. 35. Unterläßt oder verweigert eine Landgemeinde (Amt, Bürger- 
meisterei) oder ein Gutsbezirk die ihnen gesetzlich obliegenden, von der Be- 
hörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf 
den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, beziehungs- 
weise zu erfüllen, so verfügt der Landrath, unter Anführung der Gründe, 
die Eintragung in den Etat, beziehungsweise die Feststellung der außerordent- 
lichen Ausgabe ##. 
Gegen die Verfügung des Landraths steht der Gemeinde beziehungsweise 
dem Besitzer des Guts die Klage bei dem Bezirksausschusse zu. 
§. 36). Bezüglich der Dienstvergehen der Gemeindevorsteher, Schöffen, 
Mitglieder des Gemeindevorstandes und sonstige Gemeindebeamten, sowie der 
  
Zu Anmerkung 4 auf S. 1168. 
Kreisabgaben, da diese auf die einzelnen Pflichtigen umgelegt werden, der Kriegs- 
leistungen (§. 6C. Ges. 13. Juni 1873) und der Kosten der Armenpflege im Falle der 
88 8ff. Ges. 8. März 1871. 
1) Festhellung und Zwangsverfügung können nicht mit einander verbunden 
werden. Erstere muß der letzteren vorausgehen. Die Leistungen müssen der Ge- 
meinde gesetzlich obliegende sein, E. O. V. XVI. 219. 
Die Zwangsetatisirung findet als ein subfidiäres Verfahren nicht statt, wenn ein- 
mal die Verpflichtung zur Leistung durch rechtskräftige Erkennmisse der ordentlichen 
Gerichte festgestellt und durch deren Vollstreckung nach Maßgabe der §§. 15 und 33 
zu 4 Zust. Ges. zu erfüllen ist, sowie ferner auch dann nicht, wenn überhaupt 
eine andere Form zur Durchführung der festgestellten Berpflichtung in den 
Gesetzen vorgesehen ist. Diese letztere Voraussetzung trifft jedoch bei den unan- 
fechtbar gewordenen polizeilichen Anordnungen, wie bei allen sonstigen Feststellun- 
gen, die gleich diesen einen Titel für die Administratio-Exekution bilden, daun 
nicht zu, wenn in der nach einem Haushaltsplane wirthschastenden Gemeinde dem 
Gemeindevorstande Mittel zur Bestreitung der festgestellten Leistung durch den Etat 
nicht zur Verfügung gestellt sind, und wenn deren etats= oder außeretatsmäßige 
Bewilligung durch die Gemeinde verweigert wird. Gerade für solche Fälle eröffnet 
der §. 35 Zust. Ges. den, Weg, um die nach dem CEtatsrecht zu der Mehraus- 
gabe erforderliche Zustimmung der Gemeinde durch die von der Kommunal= 
Anssichtsbehörde verfügte Zwangsetatifirung zu ersetzen. Zu prüfen ist, ob die Fest- 
stellungsverfügung sowohl eine der Gemeinde gesetzlich obliegeude Leistung zum Gegen. 
stande hat, als auch, ob sie vom Landrath innerhalb seiner Zuständigkeit erlassen ist. 
Hinsichtlich der Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung einer Gemeinde ist zu unter- 
scheiden, ob die Gemeinde diejenigen Anstalten und Einrichtungen, die zur Er- 
reichung der polizeilichen Aufgaben unemtbehrlich sind, selbstthätig errichtet, unterhält, 
und wie alle sonstigen Kommunalanstalten selbständig verwaltet (Armen-, Wegewesen, 
Feuerlöschanstalten, Seuchenlazarethe 2c.), oder ob die Gemeinde der Polizeibehörde nur 
diejenigen Geldmittel überweist, die diese zur Ausführung der von ihr erforderlich 
erachteten und selbstthätig ohne weitere Mitwirkung der Gemeinde ausgeführten Maß- 
regeln und Einrichtungen bedarf (Büreau-, Gefängnißlokale, Ausrüstung der Polizei- 
beamten mit Maßen und Gewichten oder Milchmessern, Annahme von Sachverstän- 
digen). In dem ersteren Falle steht die Gemeinde bezüglich aller Anforderungen, 
die aus volizeilichen Rücksichten an die Ergänzung oder Erhaltung der betreffenden 
Anstalten gestellt werden, der Polizeibehörde genau so gegenüber wie ein Privatmann, 
der sein Eigenthum der öffentlichen Interessen entsprechend gestalten muß. In dem 
zweiten Falle handelt es sich dagegen nicht um die in Erfüllung ihrer Ausgabe nach 
Außen hervortretende Wirksamkeit der Polizeigewalt, sondern um die Beschaffung der 
Geldmittel zur Regelung des Betriebes der Polizei. Die Auforderung dieser Geld- 
mittel kaun von der Gemeinde, die die Polizeikosten zu tragen hat, nicht im Wege 
der polizeilichen Anordnung, daher nicht von der die Polizei gegen Dritte handhaben- 
den, sondern nur von der die Aufsicht führenden Behörde ausgehen (zu vergl. §. 4 
Ges. 11. März 1850 und Vd. 20. Sept. 1867). Das Zwangsetatifirungsverfahren 
ist nur in dem ersteren Falle zulässig, während in dem letzteren die Bestimmungen 
der §§. 127 ff. und 132 ff. Zust. Ges. maßgebend sind, E. O. B. XXVIII. 140. 
2) Bergl. auch Anm. 3 zu §. 20 oben S. 1158.
	        
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