Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

112 Abschnitt XXXIII. R. Gew. Ordn. Lehrlingsverhältnisse. 
auszuhändigen. Der Lehrherr ist verpflichtet, der Ortspolizeibehörde auf 
Erfordern den Lehrvertrag einzureichen. 
Auf Lehrlinge in staatlich anerkannten Lehrwerkstätten finden diese Be- 
stimmungen keine Anwendung. 
Der Lehrvertrag ist kosten= und stempelfrei. 
§. 127. Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling in den bei seinem 
Betriebe vorkommenden Arbeiten des Gewerbes dem Zwecke der Ausbildung 
entsprechend zu unterweisen, ihn zum Besuche der Fortbildungs= oder Fach- 
schule anzuhalten und den Schulbesuch zu überwachen. Er muß entweder selbst. 
oder durch einen geeigneten, ausdrücklich dazu bestimmten Vertreter die Aus- 
bildung des Lehrlings leiten , den Lehrling zur Arbeitsamkeit und zu guten 
Sitten anhalten und vor Ausschweifungen bewahren, er hat ihn gegen Miß- 
handlungen seitens der Arbeits= und Hausgenossen zu schützen und dafür 
Sorge zu tragen, daß dem Lehrlinge nicht Arbeitsverrichtungen zugewiesen 
werden, welche seinen körperlichen Kräften nicht angemessen sind. 
Er darf dem Lehrlinge die zu seiner Ausbildung und zum Besuche des 
Gottesdienstes an Sonn= und Festtagen erforderliche Zeit und Gelegenheit 
nicht entziehen. Zu häuslichen Dienstleistungen dürfen Lehrlinge, welche im 
Hause des Lehrherrn weder Kost noch Wohnung erhalten, nicht herangezogen 
werden. 
§. 127a. Der Lehrling ist der väterlichen Zucht des Lehrherrn unter- 
worfen und dem Lehrherrn sowie demjenigen, welcher an Stelle des Lehrherrn 
die Ausbildung zu leiten hat, zur Folgsamkeit und Treue, zu Fleiß und an- 
ständigem Betragen verpflichtet. 
Uebermäßige und unanständige Züchtigungen, sowie jede die Gesundheit 
des Lehrlinges gefährdende Behandlung sind verboten?). 
§. 127b. Das Lehrverhältniß kann, wenn eine längere Frist nicht ver- 
einbart ist, während der ersten vier Wochen nach Beginn der Lehrzeit durch 
einseitigen Rücktritt aufgelöst werden. Eine Vereinbarung, wonach diese 
Probezeit mehr als drei Monate betragen soll, ist nichtig. 
Nach Ablauf der Probezeit kann der Lehrling vor Beendigung der ver- 
abredeten Lehrzeit entlassen werden, wenn einer der im F. 123 vorgesehenen 
Fälle auf ihn Anwendung findet oder wenn er die ihm im §F. 127 a auferlegten 
Pflichten wiederholt verletzt oder den Besuch der Fortbildungs= oder Fachschule 
vernachlässigt. 
Von Seiten des Lehrlings kann das Lehrverhältniß nach Ablauf der 
Probezeit aufgelöst werden, wenn: # 
1. einer der im §. 124 unter Ziff. 1, 3 bis 5 vorgesehenen Fälle vorliegt; 
2, der Lehrherr seine gesetzlichen Verpflichtungen gegen den Lehrling in 
einer die Gesundheit, die Sittlichkeit oder die Ausbildung des Lehr- 
linges gefährdenden Weise vernachlässigt, oder das Recht der väterlichen 
Zucht mißbraucht, oder zur Erfüllung der ihm vertragsmäßig oblie- 
genden Verpflichtungen unfähig wird. 
Der Lehrvertrag wird durch den Tod des Lehrlinges aufgehoben. Durch 
den Tod des Lehrherrn gilt der Lehrvertrag als aufgehoben, sofern die Auf- 
hebung binnen vier Wochen geltend gemacht wird. 
Zu Anmerkung 3 auf S. 111. Z„ 
„Vater oder Vormund“ durch die Worte „gesetzlichen Stellvertreter“ ersetzt, Art. 5 
Ges. 26. Juli 1897 (G. S. S. 663). * 6 
1) Er befindet sich deshalb gegenüber dem mit ihm in häuslicher Gemeinschaft 
lebenden Lehrlinge in der Stellung eines Erziehers im Sinne des §. 174, 1 R. Str. G. B., 
E. Crim. XXVII. 131. !•*½* 
2:) Schläge, insbesondere sog. Kopfstücke, die die Gesundheit schädigen können, 
sind als Ueberschreitungen des Zuchtrechts, eintretenden Falls als fahrlässige Körper- 
verletzung zu bestrafen, Erk R. G. 24. Okt. 1893 (Reger XIV. 354). Das Recht 
der väterlichen Zucht steht auch dem gewerblichen Stellvertreter zu, wenn ihm die 
Ueberwachung und Unterweisung des Lehrlings obliegt, Erk. O. Trib. 15. Dez. 1875 
(O. R. XVI. 799). 
 
	        
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