Abschnitt XXXIII. R. Gew. Ordn. Jugendliche Arbeiter. 121
aus ihrer Mitte in unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt werden.
Die Wahl der Vertreter kann auch nach Arbeiterklassen oder nach be-
sonderen Abtheilungen des Betriebes erfolgen.
§. 135 1)2). Kinder unter dreizehn Jahren dürfen in Fabriken nicht be-
1) Die §§. 135—139 und 139b find durch Vd. 31. Mai 1897 (R. G. Bl.
S. 459) auf Werkstätten, in denen die Anfertigung oder Bearbeituug von Männer-
und Knabenkleidern (Röcken, Hosen, Westen, Mänteln u. dergl.), Frauen- und Kinder-
teidung (Mänteln, Kleidern, Umhängen u. dergl.), sowie von weißer und bunter
Wäsche im Großen erfolgt (Kleider= und Wäsche- Konfektion) mit einigen, unten bei
den einzelnen Paragraphen angegebenen Abänderungen ausgedehnt worden. Aus-
genommen sind:
1. Werkstätten, in denen der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie gehörige
Personen oder nur gelegentlich nicht zu seiner Familie gehörige Personen
beschäftigt;
2. Werkstätten, in denen die Herstellung oder Bearbeitung von Waaren der Kleider-
und Wäsche-Konfektion nur gelegentlich erfolgt.
2) Die Fabrikherren haben selbst dafür zu sorgen, daß den Vorschriften des
§. 135 in ihren Fabriken Folge gegeben werde. Wenn in ihnen, entgegen den Vor-
schriften des §. 135 jugendliche Arbeiter länger als 10 Stunden beschäftigt werden,
so kann der Fabrikherr sich gegen die Bestrafung nicht durch den Einwand schützen,
daß er seinem, mit Annahme der Arbeiter beauftragten Werkmeister die Annahme
jugendlicher Arbeiter untersagt habe. Sie sind verpflichtet, sich Kenntniß zu ver-
schaffen, ob und welche jugendlichen Arbeiter in ihren Fabriken beschäftigt werden.
Als Stellvertreter im Sinne des §. 151 kann nur derjenige angesehen werden, der
an Stelle des mit dem Gewerbebetrieb selbst fich nicht befassenden Geschäftsherrn,
das Gewerbe in seiner Gesammtheit ausübt. Ein bloßer Werkmeister gehört nicht in
diese Kategorie und ist rechtlich nur als Gehülfe des Gewerbetreibenden zu betrachten,
E. Erim. II. 321, VI. 308, XXIV. 293, XXVII. 139. Vergl. Anm. zu §. 146
. 2.
Ein Fabrikant, in dessen Fabrik Kinder gesetzwidrig beschäftigt werden, wird nicht
dadurch straflos, daß die Kinder Hülfsarbeiten verrichten und daß die Arbeiter,
denen sie helfen, sie zur Arbeit angenommen haben und bezahlen, Erk. 21. Okt. 1882
(E. Crim. IV. 753).
Der Fabrikherr ist für die Uebertretung der gesetzlichen Vorschriften über die
Beschäftigung jugendlicher Arbeiter Seitens der Fabrikmeister nur dann nicht ver-
antwortlich zu machen, wenn die Uebertretung ungeachtet seiner möglichst persönlichen
Ueberwachung vorgekommen ist, Erk. R. G. 18. Juni 1881.
In Anlagen zur Anfertigung von Zündhölzern unter Anwendung von weißem
Phosphor darf in den Räumen zum Zubereiten der Zündmasse, zum Betunken der
Hölzer und zum Trocknen der betunkten Hölzer, jugendlichen Arbeitern (s. 136 Gew.
O.) und in den Räumen zum Abfüllen der Hölzer und zu ihrer ersten Verpackung,
Kindern (s 135 Abs. 1 und 2 Gew. O.) der Aufenthalt nicht gestattet werden, Gef.
13. Mai 1884 (R. G. Bl. S. 49).
Bei Beurtheilung der Frage, ob ein jugendlicher Arbeiter in einer Fabrik über
die gesetzlich zugelassene Stundenzahl hinaus beschäftigt worden sei, ist neben der auf
erstellung der Fabrikate verwendeten Zeit auch die Dauer einer, anderen Zwecken
des Fabrikbetriebes dienenden Beschäftigung (z. B. Austragen von Rechnungen, Her-
beischaffung des Frühstücks und Mittagessens für die Gesellen 2c.) in Anrechnung zu
bringen, Erk. 20. Juni 1884 (E. Crim. X. 433) und 10. Nov. 1887 (E. Crim.
XVI. 305). Abgesehen von den in §. 139a, 3 vorgesehenen Ansnahmen dürfen die
Arbeitsstunden jugendlicher Arbeiter an keinem Tage die gesetzliche Maximaldauer
übersteigen; es genügt also nicht, wenn die Beschäftigung in der ganzen Woche die
erlaubte Stundenzahl aller sechs Tage nicht überschreitet, Erk. R. G. 19. Okt. 1888
(Rechtspr. X. 675); desgl. macht Ueberarbeit aus freien Stücken oder auf Verau-
lassung der Eltern oder gesetzlichen Vertreter die Ueberschreitung nicht zulässig, E.
Crim. XVI. 267; auch dann, wenn der jugendliche Arbeiter noch nicht selbst thätig
ist, sondern zum Zwecke des Lernens zusteht, greifen 8§. 135 ff. Platz. Das Unter-
wiesenwerden durch Zusehen und Beobachten, Belehrung und Versuche ist auch Be-
schäftigung, E. Crim. XXI. 152.