1320 Abschnitt XLI. Von dem Pfarrer und dessen Rechten.
Vom Simultaneo.
S§. 309. Wenn zwei Gemeinden verschiedener Religionsparteien zu einer
Kirche berechtigt sind: so müssen die Rechte einer jeden hauptsächlich nach den
vorhandenen besonderen Gesetzen oder Verträgen beurtheilt!) werden.
JS„S. 310. Mangelt es an solchen Bestimmungen, so wird vermuthet, daß
eine jede dieser Gemeinden mit der andern gleiche Rechte habe.
§. 311. Die näheren Maßgaben wegen der Ausübung dieser Rechte
müssen, bei entstehendem Streite, nach dem Einverständnisse der beiderseitigen
Obern, und, wenn dies nicht stattfindet, durch unmittelbare landesherrliche Ent-
scheidung festgesetzt werden.
§. 312. Dabei ist jedoch auf dasjenige, was bisher üblich gewesen, haupt-
sächlich Rücksicht zu nehmen.
313. Wird aber darüber gestritten, ob eine oder die andere Gemeinde
zu der Kirche wirklich berechtigt sei, so gehört die Entscheidung vor den ordent-
lichen Richter.
. 314. Wenn nicht erhellet, daß beide Gemeinden zu der Kirche wirklich
berechtigt sind, so wird angenommen, daß diejenige, welche zu dem gegen-
wärtigen Mitgebrauche am spätesten gelangt ist, denselben nur bittweise, d. h.
als eine widerrufliche Gefälligkeit erhalten habe.
§. 315. Selbst ein vieljähriger Mitgebrauch kann, für sich allein, die Er-
werbung eines wirklichen Rechts durch Verjährung in der Regel nicht begründen.
(Th. I Tit. 9 S. 589).
. 316. enn jedoch, außer diesem Mitgebrauche, auch die Unterhaltung
der Kirche von beiden Gemeinden gemeinschaftlich bestritten worden: so begründet
dieses die rechtliche Vermuthung, daß auch der später zum Mitgebrauche ge—
kommenen Gemeinde ein wirkliches Recht darauf zustehe.
§. 317. So lange eine Gemeinde den Mitgebrauch nur bittweise hat, muß
sie bei jedesmaliger Ausübung einer bisher nicht gewöhnlichen gottesdienstlichen
Handlung, die besondere Erlaubniß der Vorsteher dazu nachsuchen.
Sechster Abschnitt. Von dem Pfarrer und dessen Rechten.
Begriff.
§. 318. Derjenige Geistliche, welcher zur Direktion und Verwaltung des
Zu Anmerkung 3 auf S. 1319.
§. 3. Das einer Parochie zustehende Bermögen, welches bei ihrem Erlöschen
(58. 1, 2) als herrenlos Unserer landesherrlichen Verfügung anheimfällt, soll zum
Vortheil derjenigen Religionspartei derselben Provinz verwendet werden, welcher die
erloschene Parochie angehört hat.
§. 4. Bon der Vorschrift des §. 3 tritt in Ansehung des vacant gewordenen
Kirchengebändes eine Ausnahme ein, indem dasselbe der an diesem Ort vorhandenen
Parochie einer andern christlichen Religionspartei zugewiesen werden soll, insofern
dazu ein Bedürfniß vorhanden ist.
§. 5. War ein Theil des übrigen VBermögens der Parochie ausschließend und
unzweifelhaft zur Erhaltung des Kirchengebäudes bestimmt, so soll derselbe auch ferner
mit dem nach §. 4 zu verwendenden Kirchengebäude verbunden bleiben.
§ 6. Die gegenwärtige Berordnung soll in allen oben bezeichneten Landestheilen
ohne Ausnahme irgend einer Provinz zur Auwendung kommen.
Ueber das Erlöschen der Parochialrechte vergl. Erk. O. Trib. 7. Jan. 1867
(Strieth. Arch. LXVII. 16.) ·
1) Die Regierungen find berechtigt, hinfichtlich der Benutzung von Simultan-
kirchen im Interesse der Ordnung und Rube die erforderlichen Verfügungen zu
treffen, oder anzuordnen, daß der katholische Schmuck aus der Kirche entfernt werde,
sobald die evangelische Gemeinde sie zum Gottesdienste benutzt. Gegen ein solches
Interimistikum, zu dessen Ausführung die Betheiligten durch Geldstrafen angehalten
werden können, ist der Rechtsweg zulässig, aber nicht die Possessorienklage, Erk. Komp.
G. H. 21. Nov. 1857 (J. M. Bl. 1858 S. 160), 10. Okt. 1863 und 9. April 1864
(M. Bl. S. 31 und 191) und 9. Dez. 1865 (J. M. Bl. 1866 S. 95), vergl. oben
§. 189, betr. die Kirchhöfe.