1324 Abschnitt XLI. Von dem Pfarrer und dessen Rechten.
§. 358. Wer entweder selbst schon in einem ähnlichen Falle ein Stimm-
recht bei der Gemeinde ausgeübt hat, oder wer zu einer Klasse gehört, deren
Mitglieder in vorigen ähnlichen Fällen zum Stimmen zugelassen worden, dem
muß auch bei der gegenwärtigen Wahl die Abgebung seiner Stimme verstattet
werden.
§. 359. Ein Gleiches gilt von demjenigen, der ein Grundstück besitzt,
dessen vorige Inhaber, als Glieder der Gemeinde, in ähnlichen Fällen zur Wahl
gelassen worden.
§. 360. Niemand aber kann ein Stimmrecht sich anmaßen, der zu einer
andern, als derjenigen Religionspartei gehört, für welche der Pfarrer gewählt
werden soll. # #
§. 361. Die Festsetzung: wie nach diesen Grundsätzen ein streitig gewor-
denes Stimmrecht in dem gegenwärtigen Falle ausgeübt werden soll, kommt
den Geistlichen Obern zu!). ·
§. 362. Die Entscheidung über das streitige Stimmrecht selbst aber gehört
vor den ordentlichen weltlichen Richter.
§. 363. Die nach der Festsetzung der geistlichen Obern vorgenommene
Wahl (5§. 361) verliert für den gegenwärtigen Fall nichts von ihrer Gültigkeit,
wenn auch hiernächst durch richterliches Erkenntniß Jemandem das ausgeübte
Stimmrecht ab-, oder wenn dasselbe einem Ausgeschlossenen zugesprochen wird.
§. 364. Was vorstehend §§. 357— 363 wegen eines über das Stimmrecht
gewisser Gemeindeglieder entstehenden Streits verordnet ist, gilt, jedoch mit
Ausschließung des §. 560, auch in Fällen, wo unter mehreren Patronen das
Berufsrecht streitig wird .
§. 365. Uebrigens findet bei der von einer Gemeinde anzustellenden Pfarr-
wahl dasjenige statt, was wegen Verhandlung und Entscheidung gemeinschaft-
licher Angelegenheiten bei Gemeinden überhaupt verordnet ist. (Tit. 6 8§. 167
und 168.)8).
§. 366. Nehmen mehrere Gemeinden an der Pfarrwahl Theil: so sind,
wenn nicht ein Vertrag, oder eine seit rechtsverjährter Zeit wohl hergebrachte
Gewohnheit etwas Anderes bestimmt, die Mitglieder der Filialgemeinde ihre
Stimmen unter der Hauptgemeinde abzugeben befugt.
§. 367. Sind mehrere Pfarrgemeinn unter einem gemeinschaftlichen Pfarrer
vereinigt, so hat jede solche Gemeinde nach der Regel ihre eigene Stimme.
§. 368. Entsteht durch Zählung der Stimmen dieser vereinigten Kirchen-
gemeinden keine überwiegende Mehrheit, so müssen die einzelnen Stimmen der
Mitglieder, ohne Rücksicht auf die verschiedenen Gemeinden, gezählt werden").
§. 369. In allen Fällen, wo keine entscheidende Mehrheit der Stimmen zu
finden ist, gebührt den geistlichen Obern die Ernennung unter den mit gleich
viel Stimmen gewählten Personen.
§. 370°8). Mitglieder bloß zugeschlagener Gemeinden nehmen, wenn nicht
bei der Zuschlagung nach §. 297 ein Anderes festgesetzt worden, an der Pfarr-
wahl keinen Theil.
§. 371. Doch ist, wenn von den übrigen Gemeinden ein Pfarrer gewählt
worden, zu welchem der größere Theil der Gastgemeinde kein Vertrauen hat,
dieses für einen erheblichen Grund, aus welchem letztere auf die Wiederabtren-
nung antragen kann, zu achten. #
372. Uebrigens kommt es, auch bei Pfarrwahlen, der Gerichtsobrigkeit
des Kirchspiels in allen Fällen zu, die Wahl zu dirigiren und auf Ruhe und
Ordnung dabei zu sehen.
1) Der Rechtsweg über die Bestätigung einer Predigerwahl bei obwaltenden
Streitigkeiten über die Ausübung des Stimmrechts ist unzulässig, Erk. Komp. G. H.
10. Jan. 1852 (J. M. Bl. S. 67).
2)) Auch wenn Fiskus unter den Patronen ist, Res 23. Sept. 1831 (v. Rönne,
Ergänzungen II. 725).
2) Die Gemeinde ist zur Wahlversammlung nach Vorschrift des Ges. 23. Jan.
1846 einzuladen. Vergl. Res. E. O. K. 14. Juni 1857 (Aktenstücke II. 204) und
Res. 31. Dez. 1866 (M. Bl. 1867 S. 64).
4) Vergl. s. 2 Ges. 15. März 1886.
5) Für Schlesien vergl. Anm. zu §. 294.