Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XLI. Rheinisch-Westfälische Kirchen-Ordnung. 1393 
2. Die Kandidaten haben keine Ansprüche auf Reise= und Zehrungs-Kosten 
zu machen. In der Gemeinde aber werden sie unentgeltlich anständig bewirthet. 
3. Wünscht die Gemeinde einen schon im Amte stehenden Prediger, so darf 
er sich weder zu einer Probepredigt anbieten, noch von der Gemeinde dazu 
aufgefordert werden. Die Wahlmitglieder werden in diesem Falle aus ihrer 
Kitte eine Deputation ernennen, welche den Prediger an seinem Wohnorte 
hört, sich nach seinen Eigenschaften erkundigt und den Wahlberechtigten darüber 
Bericht erstattet. 
Ein schon im Amte stehender Pfarrer darf sich zwar zu einer Probe- 
Predigt nicht melden; wünscht aber die Gemeinde einen solchen, so kann sie 
ihn entweder zu einer Gastpredigt auffordern oder aus ihrer Mitte eine Deputa- 
tion ernennen, die ihn an seinem Wohnorte hört!?). 
4. Der Tag der Wahl wird der Gemeinde wenigstens 14 Tage vor der- 
selben durch eine Proklamation von der Kanzel bekannt gemacht. 
5. Der Superintendent, oder im Fall seiner Abwesenheit der Assessor, be- 
giebt sich in Begleitung des Scriba am Wahltage zur bestimmten Zeit in die 
Kirche der vacanten Gemeinde. 
6. Die Handlung wird mit Gottesdienst eröffnet. 
7. Unmittelbar nach dem Gottesdienste wird zur Wahl geschritten. Der 
Superintendent leitet die Wahl. Aur Stimmberechtigte nehmen daran Antheil. 
8. Die Stimmberechtigten werden aufgerufen: einzeln, nach der Ordnung, 
wie sie in dem Verzeichniß aufgeführt sind, an den Chortisch zu treten und 
ihre Stimme abzugeben. 
9. Niemand kann seine Stimme durch einen andern abgeben lassen, aus- 
genommen, wenn nachgewiesen worden, daß er krank oder verreist ist. 
Abwesende (§. 59 Nr. 9) können ihr Wahlrecht nur durch die Vermit- 
telung eines anderen Wahlberechtigten ausüben und muss ihre Vollmacht den 
bestimmten Namen desjenigen Kandidaten enthalten, welchem sie ihre Stimme 
geben wollen. Ihre Stimme wird auch bei den engeren Wahlgängen so lange 
mitgezählt, als der von ihnen bezeichnete Kandidat bei denselben konkurrirt). 
10. Wer auf die Aufforderung, oder vor dem Schluß der Wahl nicht er- 
scheint, wird als abwesend notirt und seine Stimme nicht mehr angenommen. 
11. Der Scriba und ein vom Presbyterio deputirtes Mitglied desselben 
schreiben zu dem Namen des Stimmenden den Namen dessen, welchem die 
Stimme gegeben worden ist. 
12. Nachdem alle anwesenden Stimmberechtigten ihre Stimme abgegeben 
haben, wird zum Zählen der Stimmen geschritten. 
Bei Gleichheit der Stimmen entscheidet das Loost). 
Wer unter den Konkurrirenden die absolute Mehrheit, d. h. mehr als die 
Hälfte aller abgegebenen Stimmen hat, ist der erwählte Prediger. Wenn von 
zwei Konkurrirenden jeder die Hälfte derselben hat, so entscheidet das Loos. 
Ist Beides nicht der Fall, so verden diejenigen, welche die meisten 
Stimmen haben, auf eine engere Wahl gebracht, und zwar zunächst auf eine 
Dreizahl, weiter erforderlichen Falls auf eine Zweizahl, bis die absolute Mehr- 
heit erreicht ist. Die durch Stimmengleichheit entstehende Frage, wer in die 
engere Wahl aufzunehmen sei, wird durch das Loos entschieden. 
Jede Wahlstimme, welche auf einen anderen, als die in der Wahl ge- 
bliebenen Kandidaten fällt, ist ungültig und wird nicht mitgezählt. 
Wenn von zwei in die engere Wahl gekommenen jeder die Hälfte der 
abgegebenen Stimmen erhält, so entscheidet wie ad 1 das Loos 7. 
Der Superintendent verkündet das Resultat der Wahl. 
13. Es wird ein Wahlprotokoll aufgenommen und vom Superintendenten 
und seinem Assistenten, so wie von dem Presbyterio unterschrieben. An den 
nächsten 3 Sonntagen wird das Resultat der Wahl der Gemeinde vor Schluß 
des öffentlichen Gottesdienstes von der Kanzel bekannt gemachtsw). 
  
1) Res. 25. Aug. 1853. 
:) Kab. O. 22. Juli 1867 (M. Bl. S. 298). 
3) Der Rechtsweg über die Bestätigung einer Predigerwahl bei obwaltenden 
Illing-Kautz, Handbuch II. 7. Aufl. 88
	        
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