Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

1418 Abschnitt XLI. Kirchengemeinde= und Synodal-Ordnung. 
Die in Folge dessen gefaßten Beschlüsse find für den Gemeinde-Kirchenrath 
maßgebend. 
IV. Bildung der Gemeinde-Organe. 
§. 34. Die Mitglieder des Gemeinde-Kirchenraths und der Gemeinde- 
vertretung werden von den wahlberechtigten Gemeindegliedern gewählt. 
Wahlberechtigt sind alle männlichen selbständigen, über 24 Jahre alten 
Mitglieder der Gemeinde, welche bereits ein Jahr in der Gemeinde, oder wo 
mehrere Gemeinden am Orte sind, an diesem Orte wohnen, zu den kirchlichen 
Gemeindelasten nach Maßgabe der dazu bestehenden Verpflichtung beitragen 
und sich zum Eintritt in die wahlberechtigte Gemeinde ordnungsmäßig nach 
Maßgabe der darüber zu erlassenen Instruktion 1) angemeldet haben. 
ß er Patron ist wahlberechtigt, auch wenn er nicht am Orte der Gemeinde 
wohnt. 
Als selbständig sind nicht anzunehmen diejenigen: 
1. welche keinen eigenen Hausstand haben oder kein öffentliches Amt be- 
kleiden oder kein eigenes Geschäft, beziehungsweise nicht als Mitglied 
einer Familie deren Geschäft führen; 
2. welche unter Kuratel stehen oder sich im Konkurs befinden; 
3. welche im letzten Jahre vor der Wahl armuthshalber Unterstützung aus 
Armenmitteln oder Erlaß der Staatssteuern oder der kirchlichen Bei- 
träge genossen haben. 
Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist: 
1. wer nicht im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte sich befindet; 
2. wer wegen eines Verbrechens oder wegen eines solchen Vergehens, 
welches die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte 
nach sich ziehen muß oder kann, in Untersuchung sich befindet, bis zur 
Beendigung der Sache; 
3. wer durch Verachtung des göttlichen Wortes oder unehrbaren Lebens- 
wandel ein öffentliches, noch nicht durch nachhaltige Besserung gesühntes 
Aergerniß gegeben hat; 
4. wer wegen Verletzung besonderer kirchlicher Pflichten nach Vorschrift 
eines Kirchengesetzes :) des Wahlrechts verlustig erklärt ist. 
Das Wahlrecht ruht bei Allen, welche mit Bezahlung kirchlicher Umlagen 
über ein Jahr im Rückstande sind. 
§. 35. Wählbar in die Gemeindevertretung sind alle Wahlberechtigten, 
sofern sie nicht durch beharrliche Fernhaltung vom öffentlichen Gottesdienste 
und von der Theilnahme an den Sakramenten ihre kirchliche Gemeinschaft zu 
bethätigen aufgehört haben. 
Wählbar in den Gemeinde-Kirchenrath sind alle zum Eintritt in die Ge- 
meindevertretung befähigten Personen, welche das dreißigste Lebensjahr voll- 
endet habens). · 
1) Bergl. Justr. 25. Jan. 1882 (K. G. u. Bd. Bl. S. 1); ergänzt durch Res. 
E. O. K. 28. Juli 1894 (K. G. u. Vd. Bl. S. 71. 
Von der Wablberechtigung sind diejenigen nicht ausgeschlossen, die mangels Ver- 
pflichtung Beiträge nicht leisten, Res. 27. Okt. 1874 (Aktenstücke Heft 22 S. 285), 
desgl. nicht die Geistlichen, wenn bei ihnen die gesetzlichen Boraussetzungen vorliegen, 
RKes. E. O. K. 19. Aug. 1882 (K. G. u. Bd. Bl. S. 71). 
:) Bergl. Kirchenges. 27. und 30. Juli 1880 (K. G. u. Vd. Bl. S. 109, 116), 
ber. die Verletzung kirchlicher Pflichten in Bezug auf Taufe, Konfirmation und 
rauung. 
3) Eine Person darf nicht mehrere Stimmen in den Gemeindeorganen führen. 
Demgemäß ist gleichzeitige Wirksamkeit als Aeltester und Berreter nicht zulässig, 
weshalb der zum Aeltesten gewählte Vertreter zwecks Annahme der Wahl das bis- 
herige Amt niederzulegen hat, E. O. K. 26. Jan. 1874 (Aktenst. H. 22 S. 272) 
u. 1. Febr. 1877 (K. G. Bl. S. 58); unzulässig ist ferner die Wahl des Pfarrers als 
Aeltester oder Vertreter, desgleichen des Patrons, der gemäß §. 6 Ges. in den G. 
K. N. eingetreten ist, auch des von ihm ernannten Patronatsältesten ohne Nieder- 
legung dieses Amtes. Im Uebrigen ist der Patron, der den Erfordernissen genügt, 
 
	        
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