Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XXXIII. Abänderung der Gewerbe-Ordnung. 173 
IV. Ausnahmen wegen der Natur des Betriebes oder aus Rücksicht auf die Arbeiter 
(Gew. O. §. 139 Abs. 2 und 3). 
1. Die im Gesetze vorgesehene anderweite Regelung auf Grund des §. 139 Abs. 2 
kann nur für einzelne Anlagen und nur auf Antrag gestattet werden. Die Gestattung 
solcher Ausnahmen für gewisse Fabrikationszweige des ganzen Reichs oder bestimmter 
Bezirke ist nach §. 139a Abs. 1 Ziff. 3 dem Bundesrathe vorbehalten. 
2. Anträge auf Zulassung von Abweichungen sind unter Angabe der Abänderungen, 
welche gewünscht werden, der Gründe, welche den Antrag veranlassen, und der Zahl 
der Kinder, jungen Leute und Arbeiterinnen über 16 Jahre, für welche die Ab- 
änderungen beantragt werden, an die untere Verwaltungsbehörde zu richten. 
3. Die untere Berwaltungebehörde hat die Anträge mit einer Aeußerung des 
zuständigen Gewerbeinspektors der höheren Verwaltungsbehörde vorzulegen und sich 
dabei über die in der Begründung angeführten Thatsachen und über die Rathsamkeit 
der beantragten Abweichungen zu äußern. Soweit die beantragte anderweite Regelung 
eine Aenderung der Arbeitsordnung bedingt, sind die nach §. 1344 der Gewerbe-Ordnung 
bogngenen Aeußerungen der großjährigen Arbeiter oder des ständigen Arbeiterausschusses 
eizufügen. 
4. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Anträge einer sorgfältigen Prüfung 
zu unterziehen, welche sich namentlich darauf zu erstrecken hat, ob 
a) die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung von Abweichungen zutreffen, 
b) die beantragte Regelung der Beschäftigung mit den Anforderungen, welche im 
Interesse der körperlichen und geistigen Entwickelung der jugendlichen Arbeiter 
sowie der Gesundheit und des Familienlebens der Arbeiterinnen zu stellen sind, 
verträglich erscheinen. 
DHoabei ist namentlich zu berücksichtigen, ob die Einrichtung der Arbeitsräume den 
n sanitärer Beziehung zu stellenden Anforderungen entspricht und ob die Leitung des 
Betriebes eine wohlwollende Fürsorge für die Arbeiterinnen und die jugendlichen 
Arbeiter erwarten läßt. 
5. In denjenigen Fällen, in welchen es sich um Abweichungen von den Be- 
stimmungen über die Pausen handelt, ist die anderweite Regelung, sofern sie zulässig 
erscheint, von der höheren Verwaltungsbehörde mittelst schriftlicher Verfügung „bis auf 
eiteres“ zu gestatten. Die letztere muß enthalten: 
à) die genaue Bezeichnung der Anlage oder derjenigen ihrer Theile, für welche 
die Abänderungen gestattet worden, 
b) die gestatiete Regelung der Beschäftigung, 
e) die etwaigen besonderen Bedingungen, von denen die Gestattung der ander- 
weiten Regelung abhängig gemacht wird, 
d) die Vorschrift, daß Beginn und Ende der Arbeitszeit, wie sie durch die Ver- 
fügung geregelt find, soweit es sich um jugendliche Arbeiter handelt, in dem 
auszuhängenden Verzeichnisse, soweit es sich um Arbeiterinnen über 16 Jahre 
handelt, auf der in den Fabrikräumen aushängenden Tafel (S. 138 Abs. 2 
a. a. O.) angegeben werden müssen, 
e) die Bemerkung, daß die Verfügung zurückgenommen werden würde, falls die 
Bedingungen nicht innegehalten werden oder Unzuträglichkeiten daraus ent- 
stehen sollten. 
Von der erlassenen Verfügung ist dem zuständigen Aufsichtsbeamten und 
der Ortspolizeibehörde eine Abschrift zu ertheilen. 
6. Nach den gesetzlichen Vorschriften soll eine anderweite Regelung nur gestattet 
werden, wenn die Natur des Betriebes oder Rücksichten auf die Arbeiter es wünschens- 
werth machen. 
Daß Rücksichten auf die Arbeiter die anderweite Regelung wünschenswerth 
machen, ist nur anzunehmen, wenn es sich darum handelt, den Arbeitern, sei es durch 
Abkürzung der Arbeitszeit, sei es durch Verlängerung der Mittagspause, sei es in 
anderer Weise, eine Erleichterung oder Annehmlichkeit zu gewähren, welche bei Inne- 
haltung der für die Arbeiterinnen und insbesondere der für die jugendlichen Arbeiter 
gesetzlich vorgeschriebenen Pausen in dem vorliegenden Falle nicht durchführbar sein 
würde. Hier kommen auch die Fälle in Betracht, in denen Arbeitern, welche von der 
Fabrik so weit entfernt wohnen, daß sie nicht zum Mittagessen nach Hause gehen 
können, durch Abkürzung der Pausen und der täglichen Arbeitszeit die Möglichkeit
	        
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