Abschnitt XXXIII. Sonntagsruhe im Handelsgewerbe. 191
Statuten, durch welche die Arbeitsstunden in mehr als zwei Abschnitte getheilt oder
vorwiegend auf den Nachmittag, insbesondere den späteren Nachmittag gelegt
werden sollen.
II. Zulassung einer verlängerten Beschäftigungszeit (8. 105b).
1. Von der Ermächtigung, für die letzten vier Wochen vor Weihnachten, sowie
für einzelne Sonn= und Festtage, an denen örtliche Verhältnisse einen erweiterten
Geschäftsverkehr erforderlich machen, eine Vermehrung der Beschäftigungs-
stunden bis auf zehn Stunden zuzulassen, ist nur mit der Begrenzung Gebrauch zu
machen, daß für keinen Ort an mehr als jährlich sechs Sonn= oder Festtagen eine
verlängerte Beschäftigungszeit zugelassen werden darft9.
2. Die Bestimmung der Sonn= und Festtage, für welche eine erweiterte Be-
schäftigungszeit zugelassen werden soll, erfolgt durch die höheren Verwaltungsbehörden.
(Ober-Präsidenten — Regierungs-Präfidenten) oder mit deren Ermächtigung durch
die unteren Verwaltungsbehörden. Es empfiehlt sich, für diejenigen Sonntage, an
denen allgemein ein erweiterter Geschäftsverkehr stattfindet, namentlich also für einige
Sonntage vor Weihnachten, die Verlängerung der Beschäftigungszeit einheitlich für
den Umfang der Provinzen oder der Regierungsbezirke zuzulassen, im Uebrigen aber
die Gestattung einer verlängerten Arbeitszeit den unteren Verwaltungsbehörden zu
überlassen.
3. Dem Ermessen der höheren Berwaltungsbehörden bleibt die Bestimmung
darüber überlassen, a) ob die vermehrte Beschäftigungszeit für alle Zweige des
Handelsgewerbes zu gestatten oder auf einzelne Zweige zu beschränken ist, b) um wie
viel Stunden eine Ueberschreitung der fünf Arbeitsstunden zuzulassen ist, Letzteres mit
der Maßgabe, daß bis zu der gesetzlich zulässigen Obergrenze von 10 Stunden nur
in Ausnahmefällen zu gehen, und daß die Beschäftigung in der Regel nicht über
sechs Uhr und niemals über fieben Uhr Abends hinaus zugelassen ist.
III. Ausnahmen auf Grund des F. 105e2).
Ausnahmen für Handelsgewerbe auf Grund des §. 105e g. a. O. sollen nur
von dem Regierungs--Präsidenten — in Berlin von dem Polizei-Präsidenten — und
nur in folgendem Umfange zugelassen werden.
1) Außerdem am Todtensonntage auf 10 Stunden, Res. 14. Nov. 1892 (M.
d. J. II. 13957).
:) Ein Bedürfniß, für den Handel mit Zeitungen und dergl. auf Bahnhöfen an
Sonn- und Festtagen auf Grund des §. 105e eine verlängerte Geschäftszeit zuzulassen,
ist in einem Res. 2. Aug. 1894 (M. Bl. S. 149) verneint worden.
Der von den Gast= und Schankwirthen betriebene „Verkauf über die Straße“ ist
als Ausübung des Handelsgewerbes anzusehen und demgemäß an Sonn= und Fest-
tagen im Allgemeinen auf die für das Handelsgewerbe freigegebenen Stunden zu
beschränken.
Indessen sind die Regierungs-Präfidenten ermächtigt, den Gast= und Schank-
wirthen auf Grund des §. 105e Gew. O. an Sonn= und Festtagen den Aus-
schank von Wein und Bier vom Faß, insoweit nicht anderweite polizeiliche Bor-
schriften, insbesondere auch solche über die äußere Heilighaltung der Sonn= und
Feiertage, entgegenstehen, unbeschränkt zu gestatten. Dagegen ist der Verkauf von
Branntwein, von Wein und Bier in Flaschen, sowie von Cigarren, Konditorwaaren,
Delikateßwaaren, Wurst, kaltem Aufschmit u. dergl. durch die Gast- und Schank-
wirthe, sofern diese Waaren nicht am Gäste des Schanklokals zum Genuß auf der
Stelle verabfolgt werden, au Sonn= und Festtagen nur während der für das Handels-
gewerbe allgemein freigegebenen Stunden zu dulden. Die Lieferung zubereiteter
Speisen aus den Küchen der Gast= und Schankwirthschaften in fremde Häuser fällt
unter den Gewerbebetrieb der Köche, ist also bereits auf Grund der Vorschrift unter
B. III. Ziff. 11 der Anw., betr. die Sonntagsruhe im Gewerbebetriebe, 11. März
v. J. für Sonn= und Festtage zugelassen worden, Res. 30. April 1896 (M. Bl. S. 86).