646 Abschnitt XXXV. Hausirsteuer-Gesetz.
nebst den durch das Verfahren gegen ihn entstandenen Kosten ) binnen einer
ihm bekannt gemachten Frist freiwillig zahlt.
Die Regierungen sind ermächtigt, hierbei eine mildere als die in den
§§. 17—21 vorgeschriebene Strafe in Anwendung zu bringen.
Ist der Beschuldigte in Haft:) oder hat derselbe in Preußen keinen Wohn-
sitz, so erfolgt das Einschreiten des Gerichts ohne vorläufige Festsetzung der
Strafe durch die Regierung. Dasselbe findet statt, wenn die Regierung aus
sonstigen Gründen von der vorläufigen Festsetzung der Strafe Abstand zu nehmen
erklärt oder der Angeschuldigte hierauf verzichtet?).
Bei den gerichtlichen Untersuchungen kommen auch ferner die bestehenden.
Vorschriften in Anwendung, welche ein administratives Strafverfahren vor-
aussetzen.
« §. 28. Bei den gerichtlichen Entscheidungen ist hinsichtlich der Höhe") der
in den §§. 17, 18, 19 und 21 vorgeschriebenen Geldstrafen die von der Re-
gierung festzusetzende Jahressteuer zu Grunde zu legen.
Ingleichen ist für die im §. 24 bezeichnete Feststellung im gerichtlichen
Verfahren die einzuholende Erklärung der Regierung maßgebend.
Die Entscheidung wegen der vorenthaltenen Steuer (§. 22) verbleibt in
allen Fällen der Regierung5).
§. 2958). In den in den §§S. 18—21 gedachten Fällen können die zum
Gewerbebetriebe im Umherziehen mitgeführten Gegenstände?), soweit es zur
Sicherstellung der Steuer, Strafe und der Kosten oder zum Beweise der straf-
baren Handlung erforderlich ist, in Beschlag s) genommen werden.
§. 30. Bei der Untersuchung und Entscheidung wegen der im S. 25
dieses Gesetzes lund im §F. 39 unter a des Gesetzes wegen Entrichtung der
Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820) bezeichneten strafbaren Handlungen /Unter-
lassen der Anmeldung eines nicht steuerpflichtigen Gewerbes und des Aufhörens.
eines Gewerbes])) findet eine Festsetzung der Strafe durch die Regierung
(§. 27) nicht statt.
1) Nur baare Auslagen an Porto, Zengengebühren, Transportkosten für in
Beschlag genommene Gegenstände, Anw. 30. Aug. 1876 Nr. 7.
2) Oder gegen Kaution daraus entlassen, Erk. O. Trib. 4. April 1876.
(O. R. XVII. 242).
) Das Gericht muß stets auf die volle gesetzliche Strafe erkennen, auch wenn
die Regierungen eine mildere Strafe festgesetzt haben, E. K. XII. 198.
4) Die Strafe wegen Defraudation der Hausirgewerbesteuer richtet sich nach.
dem von der Regierung festgesetzten Normalbetrage der Jahressteuer, nicht aber nach
dem Betrage der zu Gunsten des Gewerbetreibenden ausnahmsweise ermäßigten
Fahressteuer, Erk. 10. Jan. 1889 (E. K. IX. 205).
Auch der durch mehrere Jahre fortgesetzte Betrieb des Haufirgewerbes ist nur
mit der einmaligen Steuerstrafe zu belegen, Erk. 17. Dez. 1888 (E. K. IX. 207).
Der Einwand, daß die Steuer zu hoch angesetzt sei, ist im gerichtlichen Verfahren unzu-
lässig, E. K. X. 195. # ··
WegenderStrafaussetzungbetgettchtltcherkanntenStenerstrafenvergi.ReL
18. Sept. 1889 (M. 23 S. 32). .
5) Vergl. Anm. 4 zu §. 22. Die bei den gerichtlichen Eutscheidungen hinsichtlich
der Höhe der Geldstrafe zu Grunde gelegte Jahressteuer ist für die spätere Steuer-
forderung nicht unbedingt maßgebend, Res. 5. März 1884 (M. 17 S. 92).
6) Ausf. Anw. Nr. 17 II., Anw. 30. Aug. 1876 Nr. 11.
7) D. s. nur Waaren, nicht Transportmittel (Erk. O Trib. 5. Nov. 1862,
O. R. III. 107) oder Musikinstrumente (Erk. O. Trib. 15. Mai 1874, O. R. XV.
312); der Kontravenient braucht sie im Augenblicke der That nicht bei sich zu haben,
sie können sich z. B. in der Herberge befinden, oder im Gewahrsam des nach §. 23
haftbaren Inhabers des Gewerbescheines, wenn ein Begleiter strafbar wird, Erk. O.
Trib. 31. Mai 1862 (O. R. II. 439), 9. Okt. 1867 (O. R. VIII. 572).
") Zur selbständigen Vornahme von Beschlagnahmen in Hausirsteuer-Kontra-
ventionssachen sind die Gendarmen und die polizeilichen Exekutionsbeamten überhaupt,
nach Maßgabe des §. 29, auch ohne zu Hülfsbeamten der Staatsanwaltschaft bestellt
zu sein, befugt, Res. 14. Mai 1884 (M. Bl. S. 117).
6 u) Bergl. §§. 70 ff. Gew. St. Ges. 24. Juni 1891.