Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

60 Abschnitt XXXIII. R. Gew. Ordn. Gewerbebetrieb im Umherziehen. 
§. 57. Der Wandergewerbeschein ist zu versagen!y: 
1. wenn der Nachsuchende mit einer abschreckenden:) oder ansteckenden 
Krankheit behaftet oder in einer abschreckenden Weise entstellt ist; 
2. wenn er unter Polizeiaufsicht steht; 
3. wenn er wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen das 
Eigenthums), gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf 
das Leben und die Gesundheit der Menschen, wegen Land- oder Haus- 
friedenbruchs, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt"), wegen vor- 
sätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen Verbote oder 
Sicherungsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung anstecken- 
der Krankheiten oder Viehseuchen, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 
drei Monaten verurtheilt ist, und seit Verbüßung der Strafe drei Jahre 
noch nicht verflossen sind; *## Z 
4. wenn er wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu, Bettelei, Landstreicherei, 
Trunksucht übel berüchtigt ist.); 
5. in dem Falle des §. 55 Ziff. 4, sobald der den Verhältnissen des 
Verwaltungsbezirks der zuständigen Verwaltungsbehörde entsprechenden 
Anzahl von Personen Wandergewerbescheine ertheilt oder ausgedehnt 
sind (S. 60 Abs. 2)70. 
§. 57 a. Der Wandergewerbeschein ist in der Regel zu versagen: 
1. wenn der Nachsuchende das fünfandzwanzigste Lebensjahr noch nicht 
vollendet hat) 
2. wenn er blind), taub oder stumm ist, oder an Geistesschwäche leidet. 
  
1) Die Gewerbe-Ordnung unterscheidet zwei verschiedene Arten von Fällen. In 
den Fällen des 8. 57 muß der Wandergewerbeschein versagt werden; in den Fällen 
der §§. 57a und 57b hängt seine Ertheilung oder Bersagung von dem verständigen 
Ermessen der Behörden ab, Mot. S. 54. Z 
Ausländischen Zigeunern ist der Wandergewerbeschein nach Abschn. II A. Nr. 4, 
Bek. 27. Nov. 1896 (R. G. Bl. S. 745) stets zu versagen; inländischen (zum 
Kesselflicken, Pferdehandel, equilibristischen Produktionen) in der Regel, Res. 29. Sept. 
1887 (M. Bl. S. 244) und 8. Dez. 1892 (M. Bl. 1893 S. 4). 
„:) Der Wandergewerbeschein ist auch dann zu versagen, wenn solche unglückliche 
Individuen nicht auf offener Straße, sondern in Schaubuden sich sehen lassen wollen, 
um niederer Schaulust zu dienen und aus ihr Gewinn zu ziehen, Mot. S. 52. 
Nur wenn es sich darum handelt, daß die betreffenden Personen umhergeführt 
werden sollen, um in geschlossenen Räumen zu wissenschaftlichen Zwecken gezeigt zu 
werden, fällt die Veraulassung fort, mit einem Verbot hiergegen einzuschreiten, 
Mot. S. 52. 
2) Hierher gehört auch das Vergehen des einfachen Bankerutts im Falle des 
§s. 210, 2, 3 Konk. Ord. 10. Febr. 1877 (R. G. Bl. S. 351). Erk. 9. Juni 1884 
(Nr. II. 523) und 29. April 1886 (E. O. V. XIII. 338). 
) Eingefügt durch Ges. 6. Aug. 1896 (R G. Bl. S. 685) 
5) Eine Vorbestrafung wird nicht nothwendig voransgesetzt. Andererseits genügt 
die Thatsache der Bestrafung allein ebenfalls nicht, um auf ein Uebelberüchtigtsein 
zu schließen, E. O. V XXVIII. 331. 
6) Vergl. hierzu E. O. V. IX. 272. 
7) Eingefügt durch Ges. 6. Aug. 1896 (R. G. Bl. S. 685). 
6) Personen, welche erblindet oder so verkrüppelt bezw. gebrechlich find, daß sie 
ur Ausübung des Gewerbeberiebes des Beistandes einer zweiten gesunden Person 
brdarfen, darf deswegen die Erlaubniß zum Mufiziren im Umherziehen nicht versagt 
werden, Res. 28. Mai 1875 (M. Bl. S. 272). 
Die Vorschrift des §. 57 a Ziff. 2 will verhindern, daß körperliche oder geistige 
Gebrechen zum Deckmantel der Bettelei gemißbraucht werden, ganz abgesehen von 
der Gefahr, in welcher blinde, geistesschwache oder auch taube Personen beim Berkehr 
auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen naturgemäß schweben. Soweit noth- 
wendig, muß die öffentliche Armenpflege für diese Gebrechlichen eintreten. Erscheint 
im einzelnen Falle die Ertheilung des Wandergewerbescheines ausnahmsweise unbe- 
denklich, so giebt die Fassung des §. 57a die Möglichkeit dazu, Mot. S. 54.
	        
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