Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

832 Abschnitt XXXVI. Landgemeinde-Ordnung für die sieben 
91 erwähnten Befugnisse des Bürgermeisters wahrzunehmen und die Gemeinde- 
beamten angustellen (§. 599 Nr. 50). 
Die Beschlüsse des Gemeinderathes werden nach Stimmenmehrheit und unter 
Theilnahme von mindestens drei Mitgliedern gefaßt. Bei Stimmengleichheit ent- 
scheidet die Stimme des Vorsitzenden. Den Vorsitz führt der Bürgermeister, welcher 
hierin durch einen Beigeordneten und, wenn auch dieser behindert ist, durch eines der 
übrigen Mitglieder des Gemeinderathes in der Reihenfolge ihres Dienstalters, bei 
gleichem Dienstalter ihres Lebensalters, vertreten wird. · · 
Bei der Berathung und Abstimmung über solche Gegenstände, welche ein Mit- 
glied des Gemeinderathes, seine Ehefrau, seine Schwestern oder Berwandten oder Ver- 
schwägerten der in §. 46 Abs. 4 bezeichneten Art berühren, darf dieses Mitglied nicht 
zugegen sein. Wird hierdurch der Gemeinderath beschlußunfähig, so entscheidet der 
Bürgermeister allein; kann auch dieser aus dem angeführten Grunde nicht entscheiden, 
so tritt an dessen Stelle der Kreisausschuß. 
Ergiebt sich die Beschlußunfähigkeit ans anderen Gründen, so hat der Bürger- 
meister eine zweite Sitzung anzuberaumen; wird auch in dieser keine Beschlußfähigkeit 
erreicht, so hat der Bürgermeister allein hinfichtlich der auf der Tagesordnung stehen- 
den Gegenstände Anordnung zu treffen. 
Der Bürgermeister ist — unbeschadet der Vorschrift des §. 112 — verpflichtet, 
in den Fällen, in welchen ein Beschluß des Gemeinderathes das Gemeinwohl oder 
das Gemeindeinteresse erheblich verletzt, die Ausführung des Beschlusses anszusetzen, 
und, wenn der Gemeinderath bei nochmaliger Berathung bei seinem Beschlufse beharrt, 
innerhalb zwei Wochen die Entscheidung des Kreisausschusses einzuholen. 
Dem Gemeinderathe bleibt es überlassen, regelmäßige Sitzungstage festzusetzen. 
Die Zusammenberufung des Gemeinderathes muß erfolgen, wenn sie von einem 
Viertel der Mitglieder verlangt wird. 
#§. 61. Der Bürgermeister leitet und beauffichtigt den Geschäftsgang der Ge- 
meindeverwaltung. 
Wenn die Beschlußnahme durch den Gemeinderath einen nachtheiligen Zeit- 
verlust verursachen würde, hat der Bürgermeister die dem Gemeinderathe obliegenden 
Geschäfte vorläufig allein zu besorgen, dem letzteren jedoch in der nächsten Sitzung 
behufs Bestärigung oder anderweiter Beschlußnahme Bericht zu erstatten. 
§. 62. Landgemeinden von größerem Umfange oder von zahlreicherer Be- 
völkerung können von dem Bürgermeister nach Anhörung der Gemeindevertretung in 
Ortsbezirke getheilt werden. 
Jedem Bezirke wird ein Bezirksvorsteher vorgesetzt, welcher von der Gemeinde- 
vertretung aus den stimmfähigen Gemeindegliedern des Bezirks auf sechs Jahre ge- 
wählt und von dem Bürgermeister bestätigt wird. In gleicher Weise wird für den 
Fall der Verhinderung des Bezirksvorstehers ein Stellvertreter bestellt. 
Die Bezirksvorsteher find Organe des Bürgermeisters und verpflichtet, seinen 
Anordnungen Folge zu leisten, ihn namentlich in den örtlichen Geschäften des Bezirks 
zu unterstützen. 
Ueber die Gültigkeit der Wahlen der Bezirksvorsteher, sowie überhaupt solcher 
Gemeindebeamten, welche der Bestätigung nicht bedürfen, beschließt der Kreisausschuß.) 
(O. S. H.) §. 90. Der Gemeindevorsteher ist, sofern er nicht zugleich selbst 
das Amtsvorsteheramt bekleidet, das Organ des Amtsvorstehers für die Polizeiver= 
waltung!). 
  
1) Vergl. §. 65 Kr. O. Die Gemeinde= und Gutsvorsteher find ausfüh- 
rende Organe des Amtsvorstehers in polizeilichen Angelegenheiten. Der Amts- 
vorsteher kann ihnen aber nicht die ihm obliegende Polizeiverwaltung zu selbständiger 
Berwaltung übertragen, also nicht Dienstobliegenheiten, die selbständige polizei- 
liche Entschließungen und Verfügungen erheischen, beispielsweise auf dem Gebiete der 
Wegepolizei nicht die selbständige Anordnung dessen, was an Wegebauten erforderlich 
oder die vorläufige Entscheidung darüber, wer zu ihrer Ausführung verpflichtet ist, 
E. O. V. VI. 208. 
Auch die Behändigung polizeilicher Strafverfügungen kann der Amtsvorsteher 
dem Gemeindevorsteher aufgeben, E. O. V. II. 86. 
Im Weigerungsfalle unterliegen die Gemeinde= und Guatsvorsteher dem Diszi- 
plinarstrafverfahren gemäß §. 143 L. G. O., auch kann die Ortspolizeibehörde gegen
	        
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