Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

844 Abschnitt XXXVI. Landgemeinde-Ordnung für die sieben 
Dritter Titel. Selbständige Gutsbezirke. ((H. N. im Regierungsbezirke Kaffel. ) 
§. 122. (S. H. §S. 122. H. N. §. 94.) Für den Bereich eines selbständigen 
Gutsbezirkes!) ist der Besitzer des Gutes zu den Pflichten und Leistungen, welche den 
  
1) Nach der Rechtsprechung des O. V. G. sind als selbständige Gutsbezirke nur 
diejenigen Güter anzuerkennen, denen vor Aufhebung der Erbunterthäuigkeit „das 
Recht Unterthanen zu haben“ zustand (A. L. R. II. 7 8§. 91, 92) oder denen diese 
Eigenschaft durch Kgl. Erlaß besonders verliehen worden ist. 
Ueber den Begriff eines selbständigen Gutes vergl. E. O. B. I. 102 und 147; 
II. 117, 162; V. 116; VII 177; XIV. 231; XVI. 223, 239; XX. 176; 
XXI. 163. Ueber die Gutsbezirke der Domänengüter (Bezirk desselben Domänen= 
amts ein Domänengnut) vergl. E. O. B. VIII. 86; über die Zugehörigkeit kölmischen 
erbfreien Landes zu Landgemeinden, E. O. V. VIII. 96, über die kommunale Eigen- 
schaft kölmischer Güter in Ost= und BWestpreußen, XVI. 223; XXI. 115. Vom 
Gutsherrn ist der Grundherr (privatrechtliche Eigenthümer Grund und Bodens der 
angesiedelten Anwohner) zu unterscheiden, E. O. V. XXIV. 158. 
Das kommunalrechtliche Bestehen ist von privatrechtlichen Dispositionen des 
Eigenthümers am Grund und Boden über diesen unabhängig; es können also Guts- 
bezirke als solche niemals durch Zerstückelungen des Gutes allein, sondern nur durch 
einen entsprechenden Akt der Staatshoheit aufgehoben werden, E. O. B. I. 158, 
VII. 201; VIII. 80; X. 89; XXII. 107; Res. 26. Okt. 1870 (M. Bl. 1871 
S. 107). Die Abveräußerung einzelner kleinerer Parzellen von einem Gutsbezirk an 
Dritte wird, wenn neben ihnen noch ein größeres leistungsfähiges Restgut bestehen 
bleibt, die anderweite Regelung der kommnnalen Verhältnisse eines solchen Gutsbe- 
zirkes noch nicht nöthig machen. In derartigen Fällen ist der Begriff des Gutsbe- 
zirks: „Die Einheit des Besitzes“ noch im Wesentlichen aufrecht erhalten . Der 
Restgutsbesitzer, der dem Staate gegenüber die Verpflichtung für die Erfüllung der 
kommnnalen Leistungen des Gutsbezirkes trägt, ist zugleich der Repräsentant des Guts- 
bezirkes bezw. seiner angesessenen und nicht angesessenen Einwohner in der Ausübung 
öffentlicher Rechte, also insbesondere auch des Wahlrechts zum Kreistage, Res. 
10. März 1873 zu Art. 3 (M. Bl. S. 83). Vergl. E. O. V. XIV. 285, XV.I. 250. 
Auch ablösbare Realberechtigungen, die auf Grund der Agrarreform an Stelle 
dominialer Rechte getreten sind, können ein ausreichendes Substrat für das Fortbe-- 
stehen einer Gutsherrschaft gewähren, vergl. E. O. Trib. LXXXII. 59. Ehrenrechte 
allein, z. B. das Patronat genügen nicht, Erk. O. V. G. 24. Jan. 1891 (P. B. Bl. 
XII. 242). Das „Auenrecht“ (Angerrecht, Straßengerechtigkeit) ist ein der Guts- 
herrschaft innerhalb des Umfanges des ehemaligen dominialen Herrschaftsgebietes zu- 
stehendes Recht und umfaßt die civilrechtlichen Befugnisse des Gutsherrn an einzelnen 
Theilen der Gemeindefeldmark, an Straßen und Wegen, freien Plätzen, Bächen, Pri- 
vatflüssen, Teichen, Grenzen und Rainen (Keil S. 332). Es kommt besonders vor 
in Schlesien, wo es entstanden ist ans dem Eigenthum des Dominialherren an dem 
gesammten, nicht an dritte Personen ausgethanen Grund und Boden des dominialen 
Herrschaftsgebietes. Man unterscheidet die eigentliche Aue, d. s. alle Plätze im Dorfe, 
die nicht zu den Gebäuden, Höfen und Gärten der Dorfinsassen gehören, und die 
Aue außerhalb des Dorfes, innerhalb der Feldmark befindliche freie Plätze, Straßen, 
Privatflüsse, Grenzraine :0. Das Recht des Dominialherrn an der Aue ist Eigen- 
thum, wird aber dadurch beschränkt, daß die Aue in erster Linie öffentlichen 
Zwecken dient. 
Das Auenrecht in der Mark Brandenburg ist zurückzuführen auf die Straßen- 
gerichtsbarkeit des Gutsherrn und besteht in der Benutzung der Dorfstraße und der 
freien Plätze innerhalb der Dorflage als Ausfluß des Eigenthümers der Gutsherr- 
schaft, sofern nuur der gemeine Gebrauch dieser Orte dabei bestehen kann. In ähnlicher 
Weise haben sich die Auenrechte in Pommern entwickelt. In den übrigen Provinzen 
find sie ohne Bedeutang. Die Aue gehört gemöß ihrer Entwickelung in der Regel 
zum Gutsbezirke, falls sie nicht vor dem Publikationstage des Ges. 31. Dez. 1842 
(G. S. 1843. S. 8) — dem 31. Jan. 1843 — ohne Widerspruch der Betheiligten 
als ein Theil der Landgemeinde hehandelt, worden ist oder ein Staatshoheitsakt # 
Zugehörigkeit geändert sn, E O. V. V. 116, Res. 6. Juli 1874 (M. Bl. S. 170). 
Die Rittergutsmatrikeln fsind, da die Rittergutsqualität auch jetzt noch in
	        
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