864 Abschnitt XXXVI. Ausf. Anw. zur Landgemeinde-Ordnung.
Gutsbezirken, sowie die Umwandlung von Gutsbezirken in Landgemeinden und von
Landgemeinden in Gutsbezirke im öffentlichen Interesse einzutreten hat, ist in erster
Linie auf die in Folge meiner Cirkular-Berfügungen vom 10. Dezember 1888 und
vom 18. Februar 1890 von den Landräthen aufgestellten Nachweisungen zurückzugehen
(vergl. die dem Eutwurf zur Landgemeinde-Ordnung als Aulage B beigefügte Nach-
weisung, Spalten 7 bis 10, 17 bis 21, Drucksachen des Abgeordnetenhauses 1890/91,
zu Nr. 7 S. 31 ff.). Das damals gewonnene Ergebniß wird der Regel nach auch noch
im Jahre 1892 zutreffen, und es werden nur diejenigen Fälle auszuscheiden sein, in
denen inzwischen eine zweckentsprechende Regelung der kommunalrechtlichen Verhältnisse
bereits stattgefunden, oder aber die Unzweckmäßigkeit oder Unausführbarkeit der da-
maligen Vorschläge sich herausgestellt, oder bei denen eine Beseitigung der vorhandenen
Mißstände durch Zweckverbände stattgefunden hat. Andererseits treten diejenigen Fälle
hinzu, für welche sich inzwischen die Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit einer Neu-
regelung der kommunalrechtlichen Verhältnisse ergeben hat, sowie diejenigen, für welche
eine solche Neuregelung von einem der Betheiligten beantragt wird.
Alle diese Fälle sind — und zwar, soweit nicht bezügliche Anträge gestellt werden,
von Amtswegen — zum Gegenstande von Verhandlungen mit den betheiligten Ge-
meinden oder Gutsbesitzern zu machen, sobald die Gemeindeversammlungen (Gemeinde-
vertretungen) auf Grund des Gesetzes neugebildet sind. Festzuhalten ist bei diesen
Verhandlungen, daß Aenderungen in kommunalrechtlicher Beziehung keine Einwirkung
auf andere Verhältnisse üben, welche lediglich an den Grundbesitz geknüpft sind, daß
insbesondere die Frage der Rittergutseigenschaft und des aktiven und passiven Wahl-
rechts für das Herrenhaus von ihnen unberührt bleibt.
Stimmen die Betheiligten der in Aussicht genommenen Maßnahme zu, so sind
die Verhandlungen nach Anhörung des Kreisausschusses mir alsbald zur Prüfung
und geeignetenfalls Einholung der Königlichen Genehmigung einzureichen.
Wird ein allseitiges Einverständniß der Betheiligten nicht erreicht, so bieten sich
für die Durchführung der in Ausficht genommenen Maßnahmen formell zwei Wege dar.
Der eine Weg ist der — in §. 2 Nr. 2 angegebene — einer Auflösung von
Landgemeinden und Gutsbezirken mit nachfolgender Einverleibung der hierdurch be-
zirksfrei werdeuden Grundstücke nach Maßgabe der Vorschriften in 9. 2 Nr. 1. Die
Beschreitung dieses Weges hat zu Boranssetzung, daß die aufzulösenden Landgemeinden
und Gutsbezirke „ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außer Stande
sind" (5. 2 Nr. 2 Satz 1). -
DerandereWegistder-iu§.2Nr.sangegebene—einerErsetzungdes
mangelnden Einverständnisses durch Beschluß des Kreisausschusses und der demselben
für dieses Verfahren im Beschwerdezuge übergeordneten Instanzen. Das Einverständniß
kann auf diesem Wege nach §. 2 Nr. 3 nur dann ersetzt werden, wenn „das öffent-
liche Interesse dies erheischt" (wenn andernfalls „das öffentliche Interesse gefährdet
sein würde“). — — —
Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß die bevorstehende engere Begrenzung des öffent-
lichen Interesses nur für den Fall gilt, wenn die in Rede stehenden Maßnahmen
gegen den Willen der Betheiligten durchgefetzt werden sollen, nicht aber für den Fall
des Einverständnisses. Sie schließt also keineswegs aus, auf ein Einverständniß der
Betheiligten auch in Betreff solcher Maßnahmen hinzuwirken, welche zwar nicht unter
die für den Fall des Zwanges gegebene engere Begrenzung des öffentlichen Interesses
fallen, dennoch aber zur besseren Erfüllung der den Gemeinden gestellten öffentlich-
rechtlichen Aufgaben als zweckmäßig erscheinen.
Im Einzelnen ist Folgendes zu bemerken.
Zu §. 2 Nr. 5 lit. à
ist zu beachten, daß die hier vorgesehene Boraussetzung (abgesehen von der in einem
Absatze hinzugesügten Bestimmung) wörtlich mit der in Nr. 2 erwähnten Boraus-
setzung übereinstimmt. Landgemeinden und Gutsbezirke, die ihre öffentlich-rechtlichen
Verpflichtungen zu erfüllen außer Stande sind, können daher bei mangelndem Ein-
verständniß der Betheiligten auf dem einen wie dem anderen Wege als selbständige
Gebilde beseitigt werden. Wird 'der erstere Weg eingeschlagen, so muß der Auflösung
des Bezirks durch Königliche Anordnung eine Anhörung der einzelnen Besitzer der
bezirksfrei gewordenen Grundstücke über die demnächstige Neuregelung folgen; ist diese
Anhörung mit Schwierigkeiten verbunden, oder stehen solche aus den weiteren Ver-