Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

870 Abschnitt XXXVI. Ausf. Anw. zur Landgemeinde-Ordnung. 
Regel bei dem Provinziallandtage zu beantragen, so hat der Landrath die Gemeinde- 
versammlung über diese Abänderungsvorschläge zu hören und durch Bermittelung des 
Regierungspräsidenten die sämmtlichen Verbandlungen dem Oberpräßdenten einzu- 
reichen, von welchem sie mit einer gutachtlichen Aeußerung dem Provinziallandtage 
vorzulegen sind. 
Es ist jedoch zu beachten, daß, wenn einem Wohnhansbesitzer auf Grund der 
von ihm entrichteten Grund= und Gebäudesteuern und zugleich in seiner Eigenschaft 
als Gewerbetreibender eine Mehrheit von Stimmen gebühren sollte, diese Stimmen 
nicht zusammenzurechnen find, sondern nur die größere Zabl zum Anfatze kommt. 
Kein Stimmberechtigter darf auf vorsteheude Weife mehr als ein Drittel aller 
Stimmen auf sich vereinigen; geschieht dies, so muß eine Herabsetzung stattfinden, 
welche von dem Gemeindevorsteher herbeizuführen ist (g. 48 Nr. 3 
3. Kollektivstimmen. 
Andererseits sieht das Gesetz einen Fall vor, in welchem nicht jeder Stimm- 
berechtigte eine volle Stimme hat. Die Gemeindeangehörigen, welche nicht wegen 
ihres Grundbesitzes, sondern wegen ihres Einkommens stimmberechtigt sind, sollen 
nämlich zusammen nicht mehr als ein Drittel der Stimmen führen, also höchstens 
halb so viel Stimmen als die übrigen Stimmberechtigten. Uebersteigt die Anzahl der 
nicht angesessenen Gemeindemitglieder den dritten Theil der Gesammtzahl der Mitglieder 
der Gemeindeversammlung, so haben die ersteren ihr Stimmrecht durch eine jenen 
Verhältnissen entsprechende Anzahl von Abgeerdneten auszuüben, welche sie aus ihrer 
Mitte auf die Dauer von sechs Jahren wählen (S. 48 Nr. 1). Die Wahl erfolgt 
auf Einladung und unter Leitung des Gemeindevorstehers. 
4. Stellvertretung. 
Das Stimmrecht ist in der Regel persönlich auszuünben. Auswärtswohnende 
können sich durch männliche Gemeindeglieder vertreten lassen oder selbst erscheinen; 
weibliche und unselbständige Personen, juristische Personen und Gesellschaften können 
nur durch Vertreter in der vom Gesetz näher geregelten Weise ihr Stimmrecht aus- 
üben (8§. 46, 47). Der Gemeindevorsteher hat im Zweifelsfalle eine durch Mehrheits- 
beschluß zu treffende Entscheidung der Gemeindeversammlung über die Gültigkeit der 
Legitimation der Vertreter herbeizuführen. 
5. Liste der Stimmberechtigten. 
Die nach Nr. A 1 und B 1 der Anweisung I, betreffend die erstmalige Bildung 
der Gemeindeversammlungen und Gemeindevertretungen, vom 7. November 1891 end- 
gültig festgestellte Liste der Stimmberechtigten ist unter Berücksichtigung der im Laufe 
der Zeit eintretenden Beränderungen fortzuführen und in Gemäßheit der §§. 39 und 56 
alljährlich im Jannar zu berichtigen. 
6. Vorsitz. 
Den Vorsitz in der Gemeindeversammlung führt der Gemeindevorsteher oder der 
ihn vertretende Schöffe (s. III. 2; bei Stimmengleichheit giebt seine Stimme den 
Ausschlag (§. 88 Abs. 2, §. 107). Er beruft die Versammlung, so oft die Geschäfte 
es erfordern (§. 104), leitet dieselbe und handhabt die Sitzungspolizei (S. 110). Ord- 
nungswidriges Beuehmen eines Mitgliedes in der Versammlung kann durch Ortsstaturt 
nach Maßgabe des §. 112 unter Strafe gestellt werden. 
7. Sitzungen. 
Die Gemeindeversammlungen sollen in der Regel nicht in Wirthshäusern oder 
Schänken abgehalten werden (F. 104); als Zuhörer können die in §. 109 bezeichneten 
Personen theiluehmen. Die Beschlüsse find unter Angabe des Tages und der An- 
wesenden in ein besonderes Buch einzutragen und von dem Vorsitzenden und wenigsteus 
2 Mitgliedern der Versammlung zu unterzeichnen (§. 111). Der Schriftführer braucht 
nicht zu den Mitgliedern der Gemeindeversammlung zu gehören. 
8. Beschlußfähigkeit. 
Zur Beschlußfähigkeit der Gemeindeversammlung gehört, daß mehr als ½. der 
stimmberechtigten „Gemeindemitglieder“ anwesend find (§. 106 Abs. 1); die nicht g“
	        
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