972 Abschnitt XXXVII. Anw. zur Ausf. des Kommunalabgaben-Gesetzes.
Auweisung? 1
zur Ausführung des Kommunalabgaben-Gesetzes vom 14. Juli 1893
(G. S. S. 152).
Theil I. Gemeindeabgaben.
Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen.
Das Abgabemecht der Gemeinden im Allgemeinen (G. 1).
Art. 1. 1. Die Borschristen des Kommunalabgaben-Gesetzes über die Auf-
bringung des Finanzbedarfs der Gemeinden gehen davon aus, daß diejenigen Aus-
gaben, welche in erkennbarer Weise zum Vortheile einzelner Gemeindeangehörigen
oder einzelner Klassen von solchen aufgewendet oder von ihnen verursacht werden, in-
soweit nach dem Maßstabe von Leistung und Gegenleistung, sonstige Ausgaben aber
vorzugsweise nach dem Maßstabe der Leistungsfähigkeit aufzubringen find.
Die Deckung des Finanzbedarfs nach dem Maßstabe von Leistung und Gegen-
leistung geschieht vorzugsweise durch Gebühren, Beiträge und Realsteuern, während
zur Aufbringung des Finanzbedarfs nach dem Maßstabe der Leistungsfähigkeit die
Einkommensteuer dient. Die nach dem ersteren Maßstabe zu deckenden Ausgaben
können aber auch durch entsprechende Vor= oder Mehrbelastung auf steuerlichem Gebiete
(Einkommensteuer, Realsteuern) aufgebracht werden.
Die Anwendung des Maßstabes von Leistung und Gegenleistung schließt im All-
gemeinen nicht aus, daß die Ausgleichung der hier in Betracht kommenden Bortheile
oder Kosten durch verschiedene Arten von Abgaben erzielt wird.
Dagegen darf über das Maß dieser Vortheile oder Kosten hinaus eine Belastung
nicht stannfinden. Wenn also z. B. eine völlige Ausgleichung durch Gebühren erzielt
wird, darf daneben nicht noch eine steuerliche Bor= und Medbrbelastung erfolgen. Die
Erhebung von Beiträgen schließt dagegen eine stenerliche Vor-- oder Mehrbelastung
stets aus (§. 20, Art. 13).
2. Der S. 1 des Gesetzes erstreckt sich nicht auf die selbständigen Gutsbezirke,
welche im Uebrigen hinsichtlich ihrer Pflichten und Leistungen den Gemeinden vielfach
gleichgestellt find. Die Untervertheilung von Kommunallasten in den Gutsbezirken
beschräukt sich, abgesehen von der Vertheilung der Kreislasten, auf die Kosten der
Armenpflege (§§. 8 ff. des Ges., betr. die Ausführung des Reichsgesetzes über den
Unterstützungswohnsitz, vom 8. März 1871, G. S. S. 130) und auf die Kriegs-
leistungen (§. 8. des Ges. über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873, R. G. Bl.
S. 129). Was jedoch die Provinz Westf#len betrifft, so bewendet es hinsichtlich der
Untervertheilung der den Gutsbezirken nberhaupt obliegenden öffentlichen Lasten bei
der Vorschrift im §. 26 Abs. 4 der Kreis-Ordnung für die Provinz Wefstfalen vom
31. Juli 1886 (G. S. S. 217). · "
Das Steuerrecht der Gemeinden im Allgemeinen (8. 2).
Art. 2. 4. Die Regel, wonach die Erhebung von Steuern sich auf den noth-
wendigen Bedarf zu beschränken hat, schließt aus, daß Gemeindevermögen, dessen Ein-
künfte in Zukunft zur Deckung der Gemeindeabgaben dienen sollen, durch Steuer-
erhebung angesammelt werde. Sie hindert dagegen nicht, daß Fonds für bestimmte
Zwecke (Schulbau-, Pflasterungskosten u. s. w.), deren Beschaffung auf einmal den
Steuerpflichtigen zu schwer fallen würde, im Laufe der Jahre allmälig angesammelt
werden. Sie würde auch der Bildung eines Betriebsfonds (sog. eisernen Fonds) nicht
im Wege stehen, aus welchem die Gemeindeausgaben alljährlich, so lange Steuern noch
nicht erhoben werden können, vorläuflg zu decken sind. —
5. Im Abs. 2 des §. 2 wird die Zulässigkeit der Erhebung direkter Steuern
auf den nach Abzug des Aufkommens der indirekten Steuern von dem gesammten
Steuerbedarfe verbleibenden Bedarf beschränkt. Das Gesetz hat hiermit den im ersten
1) Die ohne nähere Bezeichnung angeführten Paragraphen sind solche des Kom-
munalabgaben-Gesetzes.
Des beschränkten Raumes wegen find nur die wichtigeren Bestimmungen der
Anweisung zum Abdruck gebracht.