16 Rückblick.
unter ihrem Könige Alboin in dem immer noch verlockenden Lande,
ob von Narses, der nach dem Tode Justinians (565) bei Hofe in
Ungnade gefallen war, selbst herbeigerufen, ist ungewiß, aber nicht un—
möglich. Alboin fand in Oberitalien nur vor Papia hartnäckigen
Widerstand, und als er diesen Ort nach dreijähriger Belagerung erobert
hatte, machte er ihn zu seiner Hauptstadt; bald darauf wurde er aber
von seiner Gemahlin Rosamunde umgebrachtt). In der Folgezeit er-
warben die Langobarden auch große Teile Mittel- und Unteritaliens;
nur Ravenna und Rom nebst ihrer Umgebung und die Südspitzen
nebst den Inseln blieben Eigentum der Oströmer. Die Langobarden
verfuhren sehr streng und grausam gegen die alten Bewohner, ver-
schmolzen aber infolge des längern Zusammenlebens und infolge von Ver-
mischungen schließlich doch mit den Italikern, zumal sie (um 650)
vom Arianismus zur katholischen Lehre übertraten. Ihre Macht
hätte viel größer sein und ganz Italien umfassen können, wenn neben
dem Könige nicht öfter einzelne Herzöge (duces) fast völlige Selb-
ständigkeit erlangt hätten.
Rückblick. [Entstehung der romanischen Nationen.] So-
mit war am Ende der großen Völkerbewegung der ganze Westen in
die Hände der Germanen gekommen; nur Afrika und das Exarchat
(d. h. Statthalterschaft) in Italien hatte das oströmische (oder byzan-
tinische oder griechische) Reich wieder an sich gerissen. Die ger-
manischen Völker begnügten sich meist mit einem Drittel des unter-
worfenen Landes?), gelangten dabei aber zu großem Wohlstande, weil
sie an Zahl 5—10 fach schwächer als die Besiegten waren. Andrer-
seits hatten ihre Staatengründungen auf römischem Boden keine lange
Dauer, da eben ihre Zahl zu klein war, sie unter dem südlichen Klima
erschlafften und neuen Zuzug aus Germanien nicht mehr erhielten.
So glichen sich ihre Einrichtungen, Sprache, Verfassung, Recht
und Sitte nach und nach mit denen der römischen Bewohner
aus, und am Ende gingen aus dieser Verbindung von germanischen
und römischen Bestandteilen die romanischen Nationalitäten
1) Die Sage erzählt, Rosamunde sei von Alboin gezwungen worden, bei einem
Gastmahl aus dem zu einem Becher gestalteten Schädel ihres Vaters Kunimund
zu trinken. Darüber empört, habe sie ihren rohen Gemahl ermorden lassen.
2) Die Westgoten sollen zwei Drittel, die Langobarden, Vandalen
und Angelsachsen alles Land an sich genommen haben, das sie natürlich ein-
geborenen Pächtern überließen.