Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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Rockkragen befestigtes rotes Tuch, wie ein solches auch am Rückengurt 
des Handpferdes flattert. Die Peitsche aber hat er mit roten Bändchen 
umflochten. Vor oder hinter dem Kammerwagen trägt eine Person einen 
verbundenen Handkorb, den sogen. „stummen Korb“, mit Speisen für das 
junge Paar. Ihr folgen die Korbträger, die in mit weißen Tüchern be- 
deckten Körben Wirtschaftsgegenstände tragen. Andere halten ihre Schnaps- 
flaschen bereit und geben jedem zu trinken, der dem Brautfuder entgegen- 
kommt. Aber nicht ohne weiteres läßt die Gemeinde ein Mädchen von sich 
ziehen, noch gewährt sie einer fremden Braut ohne weiteres Zulaß. 
Burschen und Mädchen spannen im oder vor dem Dorfe eine Schnur — 
früher mit einem daran hängenden Herzen — oder ein mit. Blumen ge- 
schmücktes oder mit kleinen Puppen behängtes rotes Band über den Weg, 
wenn sie auf ihrem Brautwagen hinaus= oder hineinwill, und ihr Auser- 
korener muß sie loskaufen (S., Kö. u. v. a. O.). Die Blumen werden zur 
Schmückung der Pferde verwendet (Kö.). Nach Spieß (845) hielt man 
in Zschopau zwei zusammengebundene Rechen über den Weg. Das 
Aufhalten soll der Ausziehenden ein Zeichen der Beliebtheit sein (Kö., 
Kl.), der Einziehenden aber einen Willkommengruß zurufen. Nur ein- 
mal wurde mir bekannt, daß das Aufhalten in der Nähe des neuen 
Heims ein Zeichen der Mißgunst sei (Cr.). 
In die neue Wohnung werden zuerst die Betten getragen (Pf.) 
und zwar nur von der jungen Frau (Kö.), Salz und Brot, damit nie 
Nahrungsmangel komme (allg. 566.)), Vor Mittag soll der Kammer- 
wagen das elterliche Haus verlassen haben (Ne., Pf. 565°), vor dem 
Einzugshause sein (Or.). War beides nicht möglich, so soll er wenigstens 
einmal von der Stelle gerückt werden (M., Ge.). Umlenken darf der 
Wagen nicht. Um das zu vermeiden, fährt der Kutscher oft stunden- 
weit im Bogen zurück (Pf.). Drei von der Aussteuer behaltene Stücke 
bringen dem Fuhrmann Glück (Nd.). Fällt der Kammerwagen um, so 
sterben beide zeitig (H.); fällt ein Stück herunter oder geht ein Rad 
verloren, so ist ihnen viel Unglück bestimmt (Gru., Pf.). Kreuzen sich 
zwei Brautmöbelwagen, so ist ein Paar unglücklich (A.). Die letzte 
Strecke des Wegs, die die Einziehenden zurücklegen mußten, hatte stets 
in der Richtung zu geschehen, wie das Hauptwasser des neuen Ortes 
seinen Lauf nahm; denn nur so konnte der Ehe Segen zufließen (O. u. 
Umgeg.). War der Wagen vor dem neuen Heim angekommen, so hob 
der Ehemann seine junge Frau aus dem Wagen und trug sie auf den 
Armen in das Haus, um sie hier auf den Tisch zu setzen (O. u. Umgeg.). 
Zuvor aber war eine Kuh in den Stall gebracht worden (S.). 
V. Volksmedizin. 
(Vgl. M. 263 ff.) 
Nach des Lebens Freude und Arbeit kommt Krankheit, Schwäche 
und Tod. Und gar seltsame und verderbliche Blüten hat der auf Krank- 
heitsabwendungen und Heilungen gerichtete Aberglaube getrieben, der
	        
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