Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

— 111 — 
eine Wunde verbunden gewesen, werden in fließendes Wasser geworfen 
oder verbrannt (v. 505). Wer Warzen hat, reibt eine Schnecke darauf 
und spießt sie dann auf. Ist das Tier vertrocknet, so fallen die Warzen 
ab (Ehr., Schl., Gey., Ma.). 
Das uralte Abnehmen oder Messen scheint wenig Brauch zu 
sein, nur ein Fall wurde mir bekannt. Ein Mann maß seine todkranke 
Frau, der kein Arzt zu helfen vermocht hatte, mit einem Bindfaden, 
womit er zuvor eine Leiche gemessen hatte. Das Mittel halfl (B.). 
Es gibt aber noch andere Arten, eine Krankheit zu bannen. Der 
mit einem Gerstenkorn Behaftete sieht durch ein Sieb nach allen vier 
Ecken der Stube (Ob., A.) oder in helles zeuer und zählt bei letzterem 
Beginnen dreimal von 10—1 unter Bekreuzigung und Anrufung der drei 
höchsten Namen am Schlusse jeder Zahlenreihe (M.). Bei Herz- 
beklemmung hält man die rechte Hand über eine Tasse (B.). Um 
der Wiederkehr eines Blutsturzes vorzubeugen, sull der kleine Finger 
der linken Hand straff mit einer Schnur umbunden werden (A.). 
Droht eine Krankheit einen schlimmen Ausgang zu nehmen, so brennt 
man das Mettenlicht an; ist es verloren gegangen, so stirbt der Kranke 
(Gey.). Kehrte der Tod in kurzer Zeit wiederholt in einem Hause ein, so 
ließ man in den 60er Jahren die Chorknaben mit dem Kreuz ums Haus 
gehen (Kö.). Und nicht nur kirchliche Dinge sind zauberträftig, auch ge- 
wisse Orte.) Alle Gebete um Befreiung von irgend einem Gebrechen 
haben mehr Erfolg, wenn sie nachts 12 Uhr an einem Grabe gesprochen 
werden. Auch manches von einer Leiche oder vom Friedhof Genommene 
heilt und schützt. Ringe aus Sarghenkeln schützen vor Flus (Zw. Gegend 
1867), ein am Halse getragener Leichenzahn hält Ungezieser fern (Nd.), 
der Strick von einem Erhängten schützt vor Unglück (Nd. 189). Ein 
an einen kranken Zahn gebrachter Leichenzahn läßt ersteren schmerzlos 
ausfallen (A. 183). 
Bei der Behandlung der Krankheiten beobachtet man gewisse Regeln. 
Das Bett darf die Dielenfugen nicht kreuzen und soll so stehen, daß 
der Blick des Kranken der Sonne zugewendet ist, was ihn auch leichter 
sterben läßt (Nd. 511“). Ein zu einet Operation Gehender soll sich 
nicht umsehen, sonst ist es sein Todesgang (Zw.). Eine Wunde darf 
nicht mit dem Zeigefinger berührt werden; denn er ist „süchtig“ (B., 
I., El.). Der Kranke muß sterben, wenn er sich Sonntatzs (Ne. 314), 
Sonnabends (Nd., Gey) oder Freitags (v.) legt. Gegen das Aufliegen 
wird eine Hacke unters Bett gelegt (B., A.). Um Trost in schwerem 
Leiden zu finden, schlägt man das Gesangbuch auf und liest von der 
siebenten Strophe des ersten Liedes die sieben ersten Zeilen (Ehr.). 
Läßt der Kranke unabsichtlich die Stubentür offen, so ist mit ihm die 
Krankheit hinausgegangen (B.). Spricht ein Schwerkranker von einem 
Fische oder verlangt gar von einem solchen zu essen, so ist der Eintritt 
des Todes sehr bald zu erwarten (El.). Das Gleiche gilt, wenn der 
1) Zauberische Orte, Wuttke 107.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.