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harmlose Leute, insbesondere aber Kinder, krank zu hexen. Das lehrt
uns der letzte Annaberger Hexenprozeß, der zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts spielte. Dieser setzte 10 Jahre lang nicht nur die Stadt,
sondern auch das Land in Aufregung und endigte damit, daß die Haupt-
heldin desselben, die ledige Elisabeth Hennig, nachdem sie über das be-
trügerische Gebaren ihrer „Annaberger Krankheit“ vor der kurfürstlichen
Kommission in Dresden ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, 1721
im Landesarmenhause zu Waldheim untergebracht wurde, um weiteren
Unfug zu verhüten. Sie hatte es verstanden, „durch allerhand Mani-
pulationen sowohl die Menge als auch Arzte, Juristen und Theologen
zu täuschen, so daß man sie für eine dem Teufel ergebene erklärte"“, bildete
doch die Grundlage der Hexenverfolgungen der Teufelsglaube, der im
13. Jahrhundert zu hoher Blüte gelangte.
VII. Das Jahr und seine Feste.
1. Die Weihnachtszeit. (Vgl. hierzu Mo.1 292 ff. M. 246 ff.)
Das Weihnachtsfest, das sich erst in der Neuzeit zu einem spezi-
fsischen Familienfeste ausgebildet hat, war im germanischen Altertume
eine heidnische Neujahrsfeier verbunden mit Totenkultus und Seelen-
speisung, die sich im Mittelalter zu einer rein kirchlichen Feier mit
Spuren seines heidnischen Ursprungs gestaltete. Nach der Vorstellung
des germanischen Altertums verließen zur Wintersonnenwendezeit, wo
der Wintersturm brausend durch den Wald fuhr, wo gespenstisch die
Wolken am nachtdunklen Himmel dahinjagten, die Götter ihre Burgen,
um auf die Erde hinabzusteigen. Die Geister, die Seelen der Abge-
schiedenen, fuhren im Sturm durch die Lüfte, bald allein, bald angeführt
von Wuotan, dem Wind= und Totengotte, auf weißem Rosse, das Haupt
bedeckt mit einem breitkrempigen Hute und den Leib gehüllt in einen
weiten, dunkelfarbigen Mantel, wodurch Sonne, Wolken und Himmels-
gewölbe symbolisiert wurden, bald von Perchta oder Holla, der bleichen
Totengöttin. Zu Ehren dieser fahrenden Geister legte man an ge-
wissen Stellen während einer gewissen Zeit Opfergarben, Früchte des
Ackers und saftige Stücke der Herdentiere aus. An diese den Seelen
der Abgeschiedenen dargebrachten Entsagungsopfer schlossen sich große,
1) Burg, Zeitschrift für Wortforschung, Bd. V. S. 290: „Die zahlreichen und
lange festgehaltenen eigenartigen Gebräuche der Weihnachtszeit, die nicht aus dem
religiösen Inhalte des Christfestes fließen, sind nicht Überreste eines einstigen ger-
manischen Julfestes, sondern fast alles Neujahrsgebräuche und zwar überwiegend
antiken Ursprungs, anderes ist darnach im Mittelalter neu geschaffen worden; denn
die im ganzen römischen Reiche begangene Feier der Kalendae Januariae ist niemals
untergegangen, sondern unaufhaltsam ins Christentum eingedrungen und zwar mit
Ubertragung auf die Weihnachtszeit, Unachdem die christliche Festzeit vom 25. Dezember
bis zum 6. Januar ausgedehnt war, — ist mit dem Christentum weiter verbreitet
und um so mehr festgehalten worden, weil der Weihnachtstag jahrhundertelang im
Mittelalter zugleich Aufang des bürgerlichen Jahres war."“ ·