20 1. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Staatsrecht.
für das innere Staatsrecht des Reiches dargestellt und sodann
in einem weiteren Paragraphen der Friedensschluß nach innerem
deutschen Staatsrecht behandelt werden. Hierbei wird die Be-
deutung der Mitwirkung des Bundesrats und des Reichstages
im einzelnen gewürdigt werden.
85.
4. Mitwirkung des Bundesrates speziell bei der
Kriegserklärung.
Die Bedeutung des Wortes Kriegserklärung im Rechtssinne
ist e ine zweifache. 1) Es bezeichnet erstens den Akt, durch den
das zuständige Staatsorgan den Krieg beschließt, d. h. den Ent-
schluß faßt, gegenüber einem anderen Staate die friedlichen
Beziehungen abzubrechen und zu kriegerischen Akten überzu-
gehen. Dies ist recht eigentlich das Recht der Entscheidung über
Krieg und Frieden. Zweitens bedenutet Kriegserklärung die
Mitteilung dieses Beschlusses durch den Staat, der ihn gefaßt
har, an den Staat, gegen den er gerichtet ist.:) Diese Befugnis
zur Notifikation ist ein Reflexrecht der völkerrechtlichen Vertre-
tungsbefugnis und steht demgemäß im Deutschen Reiche dem
Kaiser zu. Art. 11 Abs. 1 R. V. (Vgl. hierzu oben 8 3).
Auf diese zweite Bedeutung des Wortes Kriegserklärung
braucht deshalb nicht weiter eingegangen zu werden. Es bleibt
demnach noch zu untersuchen: Welches ist das zuständige Organ
zur Kriegserklärung in dem unter 1 angegebenen Sinne der
Kriegbeschließung? Ist es der Kaiser gemäß Art. 11 Abs. 1
allein und ausschließlich, oder hat der Bundesrat ein Mitwir-
kungsrecht gemäß Art. 11 Abs. 2 R. V.?
Im allgemeinen und grundsätzlich steht das Recht der Ent-
scheidung über Krieg und Frieden dem Inhaber der Souverä-
nität, d. h. also in den Monarchien dem Monarchen, im deut-
schen Bundesstaat den im Bundesrat vereinigten Vertretern der
Landesregierungen zu. So erklärte schon das Allgemeine Land-
1) Auf diese zweisache Bedeutung hat der Berichterstatter Renault auf der
II. Haager Konserenz hingewiesen. Vgl. unten S. 91 Anm. 1.
) VLgl. Sainte Crolx S. 53; Manche S. 91; Lueder in Holtzen-
dorff's Handbuch IV, § 66 Anm. 5. — Wie diese Notifikation an den Gegner bezw.
an die anderen Staaten zu geschehen hat, ist eine Frage des äußeren Staatsrechts,
des Völkerrechts. #gl. unten § 8.