Full text: Kriegserklärung und Friedensschluß nach deutschem Staats- und Völkerrecht.

58 1. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Staatsrecht. 
freiem Belieben den Abschluß des Vertrages, die Ratifikation, 
vornehmen oder verweigern. 
Wir haben bis jetzt immer nur von einer Mitwirkung der 
gesetzgebenden Organec, des Bundesrates und des Reichstages, 
gesprochen. Die Reichsverfassung unterscheidet aber zwischen der 
„Zustimmung des Bundesrates zum Abschluß“ und der „Ge- 
nehmigung des Reichstages zur Gültigkeit“. Wic sich aus den 
bisherigen Ausführungen ergibt, besteht zwischen beiden über- 
haupt kein juristischer Unterschied: Die in Art. 11 gebrauchten 
Ausdrücke „„Zustimmung“ und „Genehmigung“ sind, wie E. 
Meiert) sagt, so identisch, wie überhaupt nur zwei Aus- 
drücke sein können.“ Störke) sagt: „Zustimmung und Ge- 
nehmigung bedeuten das korporative Ja der zwei Gesetzgebungs- 
fahtoren des Deutschen Reiches.“ Die Mitwirkung beider Or- 
gane zum Abschluß von Staatsverträgen unterscheidet sich, ab- 
gesebent von der erwähnten tatsächlichen Beschränkung (Vor- 
lage des fertigen Vertragsentwurfes), in nichts von der Gesetz- 
gebung. Wie dort, so muß auch hier die Zustimmung beider 
Organe zum Vertragsinhalt vorliegen, ehe derselbe zur Rati- 
fikation an das dritte Organ, den Kaiser gelangt. Von diesem 
Standpunkt ausgehend, können wir auch keinen rechtlichen Un- 
terschied in den Ausdrücken „Abschluß“" und „Gültigkeit“ kon- 
strnieren. Das Wort „Abschluß“ bedeutet sovicl wie „gültiger 
Abschluß“. Ist ein Staatsvertrag (Friedensvertrag) vom Kaiser 
ratifiziert worden ohne die erforderliche Zustimmung vom Bun- 
desrar und Reichstag, so ist dieser Vertrag nicht gültig, sondern 
nichtig.) 
Es fragt sich nur — und diese Frage ist von größter Be- 
deutung für die Friedensverträge —: Da der nichtige Vertrag 
1) S. 291. 
2) In Stengels Wörterb. d. Verwaltungsreochtes, Bd. II S. 522 I. 
3) Spezlell hinsichtlich der Friedensverträge macht die Theorie E. Meier's 
eine Einschränkung. Meier verwirft nämlich die oben geschilderte von Gneist und 
Laband vertretene Theorie, die in England, der Heimat des Konstitutionalismus, 
in Frankreich und in einigen anderen Staaten in rechtlicher Uebung ist, für Preußen 
und das Reich nicht unbedingt. Auch nach dem Staatsrechte Preußens und des 
Deutschen Reiches „gäbe es Verträge, die vom Kaiser bezw. König „völkerrechtlich“ 
gültig und verbindlich abgeschlossen werden könnten, so aß sie nur zu ihrer Aus- 
führung die Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften ersorderien. Dies seien 
insbesondere die Friedensverträge“. 
 
	        
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