Full text: Deutsches Kolonialblatt. I. Jahrgang, 1890. (1)

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deutsche Truppe und durch deutsche Schiffe niedergeworfen worden ist. Die Küste bildet die 
Basis für das Vorschreiten ins Innere des Landes. Eine kraftvolle und zielbewußte Ver- 
waltung, eine Erschließung des Landes ist nur möglich, wenn wir, unter Ausschluß fremden 
Einflusses, unbeschränkte Herren der Küste sind. Um ein greifbares, auch den Eingeborenen 
verständliches Resultat für die von uns ausgeübte Herrschaft im Lande aufzuweisen, handelte 
es sich daher jetzt darum, ein Abkommen mit dem Sultan zu treffen, wonach der Letztere die 
Küste von Umbe bis Rovuma nicht nur pachtweise, wie dies bereits geschehen, deutschen Inter- 
essenten weiter beläßt, sondern auch formell an das Deutsche Reich abtritt. Erst nach Abtretung 
der Küste durch den Sultan von Sansibar kann das Reich, ebenso wie in Neu-Guinea, die 
unmittelbare Verwaltung übernehmen; denn es ist ausgeschlossen, daß Se. Majestät der 
Deutsche Kaiser als Beauftragter des Sultans von Sansibar Hoheitsrechte ausübe. 
Fassen wir Vorstehendes zusammen, so ergiebt sich als Grundgedanke der Verein- 
barungen über unsern Ost-Asrika-Besitz das Folgende: 
Es kann nicht darauf ankommen, weiter auszugreifen, sondern einen zusammenhängenden 
Besitz, in dem fremde Einmischung ausgeschlossen ist, zu erhalten, um hier ungestört auf die 
ökonomische Entwickelung des Landes, die Verbreitung christlicher Gesittung, die Sicherung der 
Karawanenstraßen und die Ausrottung des Sklavenhandels hinzuwirken. Den kühnen Männern, 
welche, von Begeisterung getragen, jene weiten Gebiete für Deutschland erworben hatten, gebührt 
unsere vollste Anerkennung. Aber die Periode des Flaggenhissens und des Vertragschließens 
muß beendet werden, um das Erworbene nutzbar zu machen. Es beginnt jetzt die Zeit ernster 
unscheinbarer Arbeit, für welche voraussichtlich auf ein halbes Jahrhundert ausreichender Stoff 
vorhanden sein wird. Nach Abtretung des Küstenstrichs kann die Regierung aus dem Kriegs- 
zustand allmählich zu unmittelbarer Reichsverwaltung übergehen und in Gemeinschaft mit der 
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft zu friedlicher Arbeit schreiten. Die Regierung hat nun erst 
die Möglichkeit, ihren Willen, die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft in die Höhe zu briugen, 
zu bethätigen, und die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft wird befähigt werden, die Geldmittel 
zu erwirthschaften, welche Reichszuschüsse entbehrlich machen. Es steht zu hoffen, daß die 
Herstellung klarer Verhältnisse und das Gefühl der Sicherheit unter dem Schutz der Regierung 
auch dem Kapital einen neuen Antrieb gewähren wird, sich jenen Gebieten zuzuwenden. 
Wir gelangen nunmehr zu demjenigen Theil des Abkommens, welcher sich auf die 
Uebernahme des Protektorats über Sansibar durch England bezieht. 
Der gegenwärtige Zustand, welcher den Sultan von Sansibar von den Schwankungen 
eines mehr oder minder offenen Wettstreits zwischen englischen und deutschen Interessen abhängig 
macht, war unerträglich geworden. Es war nothwendig, demselben ein Ende zu machen. Dies 
war nur in der Weise möglich, daß entweder Deutschland oder England der leitende Einfluß 
in Sansibar zugestanden wurde. Daß England der historischen Entwickelung seiner Stellung 
zu Sansibar gemäß hierauf einen größeren Anspruch hatte, als Deutschland, kann wohl nicht 
zweifelhaft sein. Seit Langem bestand zwischen Bombay und Sansibar eine enge Handels- 
verbindung; indische Kaufleute — englische Unterthanen — hatten sich in Sansibar nieder- 
gelassen und vermöge ihrer geschäftlichen Gewandtheit bald Reichthum und Einfluß erworben. 
In politischer Hinsicht war England seit Anfang dieses Jahrhunderts mit Sansibar in Ver- 
bindung getreten. Schon 1822 wurde englischerseits mit Seyid Said der erste Vertrag 
abgeschlossen, durch welchen dieser sich verpflichtete, den Sklavenhandel von seinen arabischen 
und afrikanischen Besitzungen aus nach dem Auslande zu verhindern. Wie groß um die Mitte 
dieses Jahrhunderts das englische Ansehen in Sansibar war, beweist der Umstand, daß, als 
nach dem Tode Seyid Saids im Jahre 1856 zwischen dessen Söhnen ein Streit über die 
Herrschaft in Sansibar und Maskat entstand, die Entscheidung der englischen Regierung anheim- 
gestellt wurde. Der General-Gouverneur von Indien, Lord Canning, entschied im Jahre 1861 
dahin, daß in Sansibar Seyid Madjid, der Vorgänger des bekannten Seyid Bargasch,
	        
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