Full text: Deutsches Kolonialblatt. I. Jahrgang, 1890. (1)

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als Herrscher verbleiben solle. Sollte überhaupt ein Protektorat über Sansibar begründet 
werden, so mußte man sich offen sagen, daß ein deutsches, angesichts der bekannten Deklaration 
vom 10. März 1862, nicht bloß die berechtigte öffentliche Meinung in England, sondern auch 
die empfindliche öffentliche Meinung in Frankreich gegen sich gehabt hätte. Deutschland hätte 
einen Erfolg auf diesem Gebiet jedenfalls mit einer Verschlechterung seiner Beziehungen zu 
England bezahlen müssen, und hätte den beiden erwähnten Staaten einen geeigneten Boden 
gegenseitiger Annäherung gewährt. 
Bei dieser Sachlage einer befreundeten Macht wie England das Protektorat über die 
Inseln Sansibar und Pemba zuzugestehen, konnte umsoweniger Bedenken haben, als kein Grund 
zu der Annahme besteht, daß deutsche Firmen und Personen auf der Insel unter englischem 
Schutz schlecht sahren werden. Derselbe Zustand existirt an vielen Stellen der Welt und, 
wenn man von nationalen Motiven absieht, zur Zufriedenheit der Deutschen. Treten Schwierig-= 
keiten ein, so werden dieselben auf dem Wege der Verhandlungen mit England, mit welchem 
wir an wichtigeren Stellen Berührungspunkte haben, leichter beseitigt werden können, als gegen- 
über einem von unsichtbaren Händen geleiteten Sultan. 
Die Meinung ferner, daß die Insel Sansibar das Festland beherrsche und aus diesem 
Grunde für uns unentbehrlich sei, ermangelt der Begründung. Diese Meinung ist, geographisch 
genommen, unhaltbar, da man sonst mit demselben Rechte behaupten könnte, daß etwa 
Fernando-Po das deutsche Schutzgebiet in Kamerun beherrsche, oder die Insel Bornholm die 
Küste von Memel bis Stralsund. 
Auch vom militärischen Standpunkt aus läßt sich diese Auffassung nicht rechtfertigen. 
England würde schon jetzt, falls es sonst ein Interesse hieran hätte, eine ungleich größere Zahl 
von Schiffen bei Sansibar stationiren können, als wir. Wir würden dies nicht verhindern 
können, selbst wenn wir unsererseits das Protektorat über Sansibar übernehmen wollten. Falls 
England — was außerhalb aller Voraussetzungen liegt — unsere Küste in Ost-Asrika blockiren 
und, soweit das von den Schiffen aus möglich ist, unsere Küstenplätze angreifen wollte, so 
dürste dies auch ohne den Besitz von Sansibar kaum schwierig sein. Der geräumige Hafen 
von Mombassa, welcher erst kürzlich ein bedeutendes englisches Geschwader versammelt sah, 
würde eine mindestens ebenso vortheilhafte Operationsbasis gewähren, wie die Rhede von 
Sansibar. Hindert Malta, wo England sein größtes und bestes Geschwader unterhält, die 
Franzosen an der Ausnutzung von Tunis? Warum sollte die Insel Sansibar in englischen 
Händen unserer ostafrikanischen Kolonie bedrohlicher sein? Dagegen würde für den Fall, daß 
wir in jenen Gebieten mit einer dritten Macht in Kampf gerathen sollten, einc englische Schutz= 
herrschaft über Sansibar uns eher vortheilhaft sein können. Eine kräftige englische Neutralität 
auf der Insel sichert dieselbe vor der Gefahr, im Kriege in die Hände einer dritten Macht zu 
fallen, was wir selbst nicht durch Schiffe, sondern nur durch Unterhaltung einer Garnison auf 
Sansibar unter unverhältnißmäßig großem Aufwand zu verhindern im Stande wären. 
Es bleibt schließlich noch die Frage zu beantworten, ob die Insel Sansibar vom 
Standpunlt der Handelsinteressen aus das gegenüberliegende Festland beherrscht und für das- 
selbe unentbehrlich ist. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man im Hinblick auf die 
Bedeutung, welche Sansibar bisher als Mittelpunkt des ostafritanischen Handels erreicht hat, 
wohl zu diesem Schluß gelangen. Bei näherer Erwägung indessen wird man finden, daß diese 
Entwickelung Sansibars lediglich von äußeren Umständen abhing. Es war das Gefühl der 
verhältnißmäßigen Sicherheit dieser Insel im Gegensatz zu dem gegenüberliegenden Festlande 
welches den Sultan Seyid Said veranlaßte, seine Residenz daselbst zu nehmen. Aus dem 
gleichen Grunde siedelten sich die europäischen Kaufleute daselbst an. So wurde allmählich ein 
Cemrum für den Handel geschaffen. Den Verkehr mit dem Festlande vermitteln die geschmei- 
digen indischen Geschäftsleute, welche nicht nur in Sansibar selbst sich niederließen, sondern auch 
nach der Küste hinübergingen, um dort den aus dem Innern kommenden Karawanen aus
	        
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