Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

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legten, mußte sich in den Anschauungen der 
Eingeborenen über Handel und Verlehr ein 
Umschwung vollziehen, der seinerseits für das 
gesanimte Schutzgebiet als solches nicht ohne 
weittragende Folgen bleiben konnte. 
In ersler Linie wurden die Binnen— 
stämme dadurch, daß sie nunmehr in direkten 
Handelsverkehr mit den Weißen traten, mit 
einem Schlage vom Banne des Zwischen- 
handels erlöst, der seit vielen Jahrzehnten 
lähmend auf der Entwicklung dieser Länder 
ruht. An Stelle zahlreicher kleiner, mit Vor- 
schuß von den Europäern an der Küste ver- 
sehener schwarzer Händler traten kaufkräftige 
hroße Firmen, welche ohne das Risiko des Vor- 
schusses die vorhandenen Produkte im Innern 
aufkanften; vermöge ihrer größeren Kauf- 
kraft mußten sie einen größeren Umsatz 
schaffen, vermöge ihrer Intelligenz konnten 
sie die Aufmerksamkeit der Neger auf neue 
Produkte lenken, welche die zur Zeit im Handel 
befindlichen zu vermehren oder später an deren 
Stelle zu treten geeignet sind. So ist bei- 
spielsweise ja der Gummihandel durch die 
Schweden im Kamerungebiete eröffnet worden, 
die allerdings damals nicht im Besitze eines 
Monopols sich besanden, aber im Innern 
lebten. Daß endlich die Binnenstämme auch 
ihrerseits von den erschlossenen Wegen Ge 
Produkten kommen würden, durfte den nicht 
Wunder nehmen, ja er mußte es bestimmt er- 
warlten, welcher die Händlernatur des Negers 
ebenso wic dessen Habgier in den Kreis seiner 
Berechnungen zu ziehen gewohnt ist. So 
mußte die Monopolverordnung in ihren letzten % 
Konsequenzen, wenn sie auch das Land an- 
scheimend nur einigen wenigen Firmen preis- 
gab, belebend und im höchsten Grade ent- 
wickelnd wirken und der durch sie einmal in 
die richtige Bahn geleilete Strom dursie un- 
gehindert weiter fließen. Die Monopolver- 
urdnung hatte ihre Schuldigkeit gethan. 
In welcher Weise nun die gegenwärtige 
Handels-Aera mit Rücksicht auf die Zulunft 
zu verwerthen ist, das ist eine die Gegenwart 
unmittelbar berührende Verwaltungsfrage. 
Indem ich von der Annahme ausgehe, daß 
die Entwicklung des Handels einen derartigen 
Aufschwung nimmt, daß nach einer absehbaren 
Reihe von Jahren die vorhandenen Erzeug- 
nisse erschöpft oder ausgepumpt sind, lasse ich 
es dahingestellt sein, ob dies in 5, 10 oder 
20 Jahren der Fall sein wird. Für den Zweck 
dieser Deukschrist will ich jedoch annehmen, 
daß dies innerhalb der nächsten Dekade ge- 
schehen sein kann, für welchen Zeitraum eine 
gewisse Wahrscheimlichkeit vorhanden ist. Und 
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sollten 20, ja 30 Jahre ersorderlich sein, nun, 
dann ist dies eben in Verbindung mit den auf 
obige Voraussetzung hin zu schaffenden Ein- 
richtungen cinfacher Reingewinn. 
Noch lagert ja in den Grasläudern bei 
den Eingeborenen auf Jahre hinaus reichlich 
Elfenbein zum Abholen aufgestapelt; noch 
schweisen die Elephanten, stellenweise wahre 
Landplagen, zahlreich durch die Wald= und 
Grasländer; noch rankt die Gummiliane reich- 
lich in den ausgedehnten Waldungen der 
Küstengebiete ebenso, wie sich ganze Wälder 
der Oelpalme den Blicken des erstaunten Rei- 
senden zeigen, namentlich an den Abhängen 
des westafrikanischen Höhenplateaus an der 
Grenze zwischen Waldland und Savanne. Aber 
bereits soll der zuerst im Westen unseres 
Schutgebietes erschlossene Gummihandel dank 
dem beliebten Raubbau sich seinem Ende 
nähern, und doch ist erst wenig mehr wie eine 
halbe Dekade dahin, seitdem dieses Erzeugniß 
in Mengen auf den Markt kam. Und so wird 
es in ganz erhöhtem Maße und in demselben 
Verhälknisse der Fall sein, je mehr die jebige 
Handels Aera das Innerc erschließt, die Nach- 
frage sieigt und die Eingeborenen an unsere 
Bedürfnisse gewöhnt werden. Allein der 
Oelbaum dürfte als piäce de resistance 
alle Modisikationen des Handels zu über- 
brauch machen, selbst zur Küste mit ihren 
dauern, das Palmöl in Verbindung mit den 
Palmkernen — letztere in Kamerun ein noch 
wenig begehrter oder vielmehr angebrachter 
Artitel — der Kolonie auf längere Zeit Ein- 
nahmen zu versprechen im Stande sein. Ob 
aber diese wie etwa in Lagos die regierungs- 
mäßigen Unkosten aufzubringen vermögen, lasse 
ich beim Fehlen guter Wasserwege als sehr 
zweifelhaft dahingestellt sein. 
Die ausschliesliche Ausbentung aller der- 
zeiligen Erzeugnisse nur mit Berücksichtigung 
der augenblicklichen guten Finanzen der 
Kolonie hieße, ohne an die Schaffung neuer 
Hülfsquellen gleich zeitig zu denken und zu 
arbeiten, im Sinne der alten Schule, die ich 
eingangs durch die alten Kongokaufleute fkiz= 
zirt habe, weiter arbeiten und würde nichts 
Anderes besagen, wie einen staatlich ins Leben 
gerusenen und untlerstützten Naubbau, dessen 
Folgen spälere Jahre nur mit außerordent- 
lichen Mitteln erfolgreich begegnen könnten. 
Eine vorausschauende Kolonialwirthschaft 
aber hat bei Zeiten ihre Aufmerksamkeit auf 
zur Zeit noch schlummernde Hülfs kräfte 
des Landes zu richten, und das ist der Grund 
und Boden, das sind die auf demselben leben- 
den Eingeborenen, welche zur Hebung der in 
ersteren ruhenden Schähe angehalten werden 
müssen. Die Zukunft Afrikas ist der
	        
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