Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

von Sudi entfernt liegt, und bleibt dort, bis 
die Karawanenzeit vorüber ist. Die Karawanen, 
welche vom Nyassa-See und dem Jao-Lande 
nach Lindi kommen, kennen alle diesen Marlt- 
platz und halten hier gern einige Tage 
Rast, um nach den Entbehrungen der langen 
Reise in den reichen Vorräthen der Sudi-Leute 
zu schwelgen. In den schönen siernenklaren 
Nächten werden dann unter den Klängen der 
Agoma Freudenfeste gefeiert, bei denen Pombe 
(Hirsebier) und Tembo (Palmwein) in Strömen 
fließen, und die meist erst dann ihr Ende finden, 
wenn der größte Theil der Theilnehmer sinnlos 
betrunken am Boden liegt. Sind alle Vorräthe 
aufgezehrt und haben die letzten Karawanen 
den Rückmarsch nach ihrer fernen Hcimath an- 
getreten, so kehren auch die Sudi-Leute nach 
ihrem stillen Küstenort zurück, um sich nach den 
kurzen Freuden des Winters wieder ihren häus- 
lichen Geschäften zu widmen. Ein dreimonat- 
licher Freudenrausch entschädigt sie vollkommen 
für die Entbehrungen eines ganzen Jahres. 
Am 15. brachen wir schon vor Tagesgrauen 
von Sudi auf und erreichten Lindi nach einem 
zehnstündigen überaus anstrengenden Marsche 
durch Sand= und Steinfelder. Die Stadt liegt 
fast eine Stunde vom Meere entfernt an einer 
tiesen Einbuchtung, in welche ein kleiner Küsten- 
fluß, der Ukuledi, mündet. Als Hafen hat die 
Lindi-Bucht jedoch nur geringe Bedentung, da 
größere Schisse wegen der zahlreichen Untiefen 
und Korallenbänke nicht einlaufen können. 
Kleine Schiffe und Dhaus können bei Hoch- 
wasser ohne Schwierigkeit in die Flußmündung 
einfahren und einige Hundert Meter von der 
Station Anker werfen. 
Die Lindi-Bucht ist von einem Kranz 
bewaldeter Hügel eingefaßt, welcher im 
Frühjahr, d. h. vom Januar bis zum 
Mai, im herrlichsten Grün prangt; in der 
heißen Zeit verlieren dann die Bäume wie 
überall in Afrika ihr Laub. Nur Mango- 
und Apfelsinenbäume behalten das ganze Jahr 
hindurch ihr dunkelgrünes Gewand und ragen 
wie Inseln aus ihrer grauen Umgebung hervor. 
Die Stadt liegt am linken User des Ukuledi, 
inmitten eines Palmen= und Orangenhains, 
welcher sich längs der Bucht bis zum Fuße 
einer niederen Hügelkette ausdehnt. 
Hart am Strande, nur durch eine Allee 
von Kokospalmen vom Wasser getrennt, liegen 
die Stationsgebäude, die Faktorei der Deutsch- 
Ostafrikanischen Gesellschaft und das Zollhaus. 
Ein freier Platz trennt die Gebäude der Euro- 
päcr von dem Negerviertel mit seinem Gewirr 
von Gassen und Gäßchen, in dem die kleinen 
einstöckigen Häuser der Banianen und die Lehm- 
hütten der Eingeborenen bunt durcheinander 
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gewürfelt sind. Da die reichen Araber fast 
alle auf ihren Schambas in den benachbarten 
Bergen wohnen, so sieht man in Lindi fast 
gar keine Steinhäuser. Der einzige Schmuck, 
welcher der Stadt noch aus früherer Zeit ge- 
blieben ist, sind die Ruinen einer alten Burg 
aus der Portugiesenzeit; unter der späteren 
Araberherrschaft hat dieses Bauwerk zwar eine 
vollständige Umgestaltung erfahren, aber an 
den mächtigen Fundamenten und Thürmen 
erkennt man noch leicht den europäisch= mittel- 
alterlichen Baustil. Durch die Pflasterung der 
Wege und neue Straßenanlagen und besonders 
durch die Abtragung alter Schutthaufen, welche 
wahre Brulstätten der Malaria waren, ist in 
den letzten zwei Jahren viel geschehen, um den 
allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern 
und dem Ort ein mehr europäisches Aussehen 
zu geben. Aber Manches bleibt noch zu wün- 
schen übrig. Ordnung und Sauberteit scheinen 
nun einmal mit der dunklen Hanutfarbe nicht 
vereinbar zu sein, und selbst die eifrigsten Be- 
mühungen des Stationschefs, welcher wie eine 
sorgende Minter das Städtchen jeden Morgen 
aufräumen und säubern läßt, sind nicht im 
Stande, das Lebenselement des Negers, den 
Schmutz, ganz aus Lindi zu verbannen. 
Nach der Zahl seiner Bewohner nimmt 
Lindi erst die zehnte Stelle unter den Küsten- 
orten Deutsch-Ostafrikas ein. Nach oberfläch- 
licher Schätzung beziffert sich die Einwohnerzahl 
auf 1500 bis 2000 Seelen. Trotz der ge- 
ringen Bevölkerungsziffer ist Lindi doch einer 
der Haupthandelsplätze an der Küste, welcher 
nach dem Ausstande noch auf Kosten der Nach- 
barorte einen bedeutenden Aufschwung genommen 
hat. Die Waaren, welche hier auf den Markt 
kommen, sind im Wesentlichen dieselben wie in 
Kilwa und Milindani und lassen sich nach ihren 
Produktionsgebieten in zwei Kategorien theilen. 
In die erste Klasse entfallen alle Prodnukte, 
welche aus der Umgegend von Lindi und dem 
nächsten Hinterlande auf den Markt gebracht 
werden. Ganz unabhängig von diesem Lokal- 
handel ist der Karawanenhandel, welcher an 
ganz bestimmte Zeiten gebunden ist. Die Ka- 
rawanen aus den centralafrikanischen Gebieten 
pflegen nach der Ernte mit den im Lause des 
Jahres gesammelten Produkten nach der Küste 
zu marschiren und tressen hier in den Monaten 
Juli bis November ein. 
In dem Karawanenverkehr herrscht eine 
viel größere Regelmäßigkeit, als man vielleicht 
annehmen sollte, und die größeren Orte, wie 
Lindi und Kilwa, haben alte feste Handels- 
verbindungen mit den centralafrikanischen Völ- 
lerschaften, welche nur zu Kriegszeiten eine 
Unterbrechung erfahren. Wenn man auch nicht
	        
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