von Sudi entfernt liegt, und bleibt dort, bis
die Karawanenzeit vorüber ist. Die Karawanen,
welche vom Nyassa-See und dem Jao-Lande
nach Lindi kommen, kennen alle diesen Marlt-
platz und halten hier gern einige Tage
Rast, um nach den Entbehrungen der langen
Reise in den reichen Vorräthen der Sudi-Leute
zu schwelgen. In den schönen siernenklaren
Nächten werden dann unter den Klängen der
Agoma Freudenfeste gefeiert, bei denen Pombe
(Hirsebier) und Tembo (Palmwein) in Strömen
fließen, und die meist erst dann ihr Ende finden,
wenn der größte Theil der Theilnehmer sinnlos
betrunken am Boden liegt. Sind alle Vorräthe
aufgezehrt und haben die letzten Karawanen
den Rückmarsch nach ihrer fernen Hcimath an-
getreten, so kehren auch die Sudi-Leute nach
ihrem stillen Küstenort zurück, um sich nach den
kurzen Freuden des Winters wieder ihren häus-
lichen Geschäften zu widmen. Ein dreimonat-
licher Freudenrausch entschädigt sie vollkommen
für die Entbehrungen eines ganzen Jahres.
Am 15. brachen wir schon vor Tagesgrauen
von Sudi auf und erreichten Lindi nach einem
zehnstündigen überaus anstrengenden Marsche
durch Sand= und Steinfelder. Die Stadt liegt
fast eine Stunde vom Meere entfernt an einer
tiesen Einbuchtung, in welche ein kleiner Küsten-
fluß, der Ukuledi, mündet. Als Hafen hat die
Lindi-Bucht jedoch nur geringe Bedentung, da
größere Schisse wegen der zahlreichen Untiefen
und Korallenbänke nicht einlaufen können.
Kleine Schiffe und Dhaus können bei Hoch-
wasser ohne Schwierigkeit in die Flußmündung
einfahren und einige Hundert Meter von der
Station Anker werfen.
Die Lindi-Bucht ist von einem Kranz
bewaldeter Hügel eingefaßt, welcher im
Frühjahr, d. h. vom Januar bis zum
Mai, im herrlichsten Grün prangt; in der
heißen Zeit verlieren dann die Bäume wie
überall in Afrika ihr Laub. Nur Mango-
und Apfelsinenbäume behalten das ganze Jahr
hindurch ihr dunkelgrünes Gewand und ragen
wie Inseln aus ihrer grauen Umgebung hervor.
Die Stadt liegt am linken User des Ukuledi,
inmitten eines Palmen= und Orangenhains,
welcher sich längs der Bucht bis zum Fuße
einer niederen Hügelkette ausdehnt.
Hart am Strande, nur durch eine Allee
von Kokospalmen vom Wasser getrennt, liegen
die Stationsgebäude, die Faktorei der Deutsch-
Ostafrikanischen Gesellschaft und das Zollhaus.
Ein freier Platz trennt die Gebäude der Euro-
päcr von dem Negerviertel mit seinem Gewirr
von Gassen und Gäßchen, in dem die kleinen
einstöckigen Häuser der Banianen und die Lehm-
hütten der Eingeborenen bunt durcheinander
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gewürfelt sind. Da die reichen Araber fast
alle auf ihren Schambas in den benachbarten
Bergen wohnen, so sieht man in Lindi fast
gar keine Steinhäuser. Der einzige Schmuck,
welcher der Stadt noch aus früherer Zeit ge-
blieben ist, sind die Ruinen einer alten Burg
aus der Portugiesenzeit; unter der späteren
Araberherrschaft hat dieses Bauwerk zwar eine
vollständige Umgestaltung erfahren, aber an
den mächtigen Fundamenten und Thürmen
erkennt man noch leicht den europäisch= mittel-
alterlichen Baustil. Durch die Pflasterung der
Wege und neue Straßenanlagen und besonders
durch die Abtragung alter Schutthaufen, welche
wahre Brulstätten der Malaria waren, ist in
den letzten zwei Jahren viel geschehen, um den
allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern
und dem Ort ein mehr europäisches Aussehen
zu geben. Aber Manches bleibt noch zu wün-
schen übrig. Ordnung und Sauberteit scheinen
nun einmal mit der dunklen Hanutfarbe nicht
vereinbar zu sein, und selbst die eifrigsten Be-
mühungen des Stationschefs, welcher wie eine
sorgende Minter das Städtchen jeden Morgen
aufräumen und säubern läßt, sind nicht im
Stande, das Lebenselement des Negers, den
Schmutz, ganz aus Lindi zu verbannen.
Nach der Zahl seiner Bewohner nimmt
Lindi erst die zehnte Stelle unter den Küsten-
orten Deutsch-Ostafrikas ein. Nach oberfläch-
licher Schätzung beziffert sich die Einwohnerzahl
auf 1500 bis 2000 Seelen. Trotz der ge-
ringen Bevölkerungsziffer ist Lindi doch einer
der Haupthandelsplätze an der Küste, welcher
nach dem Ausstande noch auf Kosten der Nach-
barorte einen bedeutenden Aufschwung genommen
hat. Die Waaren, welche hier auf den Markt
kommen, sind im Wesentlichen dieselben wie in
Kilwa und Milindani und lassen sich nach ihren
Produktionsgebieten in zwei Kategorien theilen.
In die erste Klasse entfallen alle Prodnukte,
welche aus der Umgegend von Lindi und dem
nächsten Hinterlande auf den Markt gebracht
werden. Ganz unabhängig von diesem Lokal-
handel ist der Karawanenhandel, welcher an
ganz bestimmte Zeiten gebunden ist. Die Ka-
rawanen aus den centralafrikanischen Gebieten
pflegen nach der Ernte mit den im Lause des
Jahres gesammelten Produkten nach der Küste
zu marschiren und tressen hier in den Monaten
Juli bis November ein.
In dem Karawanenverkehr herrscht eine
viel größere Regelmäßigkeit, als man vielleicht
annehmen sollte, und die größeren Orte, wie
Lindi und Kilwa, haben alte feste Handels-
verbindungen mit den centralafrikanischen Völ-
lerschaften, welche nur zu Kriegszeiten eine
Unterbrechung erfahren. Wenn man auch nicht