annehmen kann, daß die alten Karawauen-
straßen die natürlichen Kanäle für den Waaren-
austausch in Afrika bilden, so bieten diese
Handelsverbindungen, welche schon seit Jahr-
zehnten bestehen, doch eine gewisse Gewähr,
daß es der wachsenden Konkurrenz nicht so
leicht gelingen wird, den Handel von diesen
Straßen abzulenken. Die Handelsbeziehungen
von Lindi gehen ebenso wie die von Kilwa
weit über die Grenzen der deutschen Interessen-
sphäre hinaus und erstrecken sich bis zum Süd-
und Westufer des Nyassa-Sees und bis zu
den Gebieten am Bangweolo= und Meru-Sce.
Die Karawanen, welche ihre Produkte an die
Küste bringen, werden nach den Namen der
einzelnen Häuptlinge unterschieden, aus deren
Gebiet sie stammen. Die bekanntesten Wanindi-
und Jao-Chefs (die bedeutendsten Völker-
schasten, welche mit Lindi Handelsbeziehungen
unterhalten) sind Makanjila, Mataka, Mpondu,
Mtarika und Mkalanje, welche sämmtlich ihren
Sitz am Nyassa-See haben.
Araber-Kolonien existiren am Nord= und
Westufer des Sees nur in sehr geringer An-
zahl; einen bedeutenden Einfluß im Seegebiet
besitzt nur ein Araber, der an der Küste unter
dem Namen Jumbe bekannt ist; seinen wahren
Namen habe ich nicht in Erfahrung bringen
können. Derselbe ist vor etwa 20 Jahren aus
Pangani ausgewandert und hat sich am West-
ufer des Nyassa-Sees niedergelassen. Durch
seine ausgedehnten Handelsverbindungen hat
er einen bedeutenden Einfluß in allen politischen
Angelegenheiten des Seengebietes, welchen er:
in früheren Jahren in empfindlichster Weise
gegen die Handelskonkurrenz der schottischen
Seengesellschaft geltend machte.
Die mächtigsten Häuptlinge im Fluß--
« und
Makanjila, dieselben senden jährlich je sechs
Karawanen mit Elfenbein und Tabak nach der
gebiete des Nowuma sind Mataka
Küste; ihre Karawanenjührer, welche alle Jahre
wiederkommen, sind sowohl an der Küste wie
im ganzen Scengebiet, wo sie Elfenbein auf-
kaufen, einflußreiche Persönlichkeiten. Von ihnen
war Soliman Kassugulu einer der Hauptführer
des Aufstandes in Kilwa; er soll bei der Er-
oberung der Stadt gesallen sein, jedenfalls ist
er seit dieser Zeit an der Küste nicht mehr
gesehen worden. Der Sohn des Häuptlings
Makanjila, Makomadi, wurde im Jahre 1890
in einem Kriege mit der englischen Seen-
gesellschaft getödtet. Mtarika ist einer der
mächtigsten Häuptlinge der Wagoni am Lujende
und oberen Rowuma; er ist der einzige Jao-
Chef, welcher die Küste selber besucht hat und
dort persönlich bekannt ist, er schickt nur wenig
Elfenbein, aber große Quantitäten von Tabak
580
an die Küste, welcher hier wegen seines reinen
und milden Geschmacks sehr geschätzt wird. Die
einheimische Tabakskultur muß, nach dem großen
Export zu urtheilen, im südlichen Seengebiet
sehr ausgedehnt sein. Die eigenthümliche Be-
arbeitung der Blätter macht den einheimischen
Tabak jedoch für Europöer gänzlich ungenieß-
bar. Bevor die Tabakspflanze Blüthen an-
setzt werden die Blätter abgepflückt und an der“
Sonne getrocknet, sobald dieselben eine braune
Farbe angenommen haben, werden sie in Wasser
eingeweicht und zerstampft. Aus dieser teig-
artigen Masse formen die Eingeborenen kleine
Kuchen von 20 cm Durchmesser, welche sie an
der Sonne trocknen lassen und dann in kleinen
Bündeln zu 10 und 20 Stück auf den Markt
bringen. Dieser Tabak ist an der ganzen Küste.
und auf den Sansibar--Inseln sehr beliebt und
wird theils gekaut, theils aus kurzen Pscifen
geraucht. Zu Schunpftabak werden ganz be-
sondere Arten verwendet. Der Tabakskonsum
ist in dem Küstengebiete ein sehr großer und
hat für den Handel einc ziemliche Bedentung.
Im Jahre 1890 wurden in der Hauptkarawa-
nenzeit von Juni bis September 11340 Pfd.
Tabak in Lindi auf den Markt gebracht. Außer
Tabak kommt nur noch Elfenbein aus dem
Innern.
Der Elfenbeinhandel, welcher in früheren
Jahren gegen den Export von Kilwa nur un-
bedentend war, hat sich seit dem Jahre 1891
bedeutend gehoben. Dies ist wohl zum größten
Theil auf die stabileren politischen Verhällnisse
an der Küste zurückzuführen. Einen nicht un-
bedeutenden Einfluß auf die günstige Gestaltung
der Handelsverhältnisse muß dem früheren
Distriktschef zugewiesen werden, welcher es ver-
standen hat, nach den früheren unruhigen Zeiten
den Eingeborenen wieder Vertrauen zur Re-
gierung einzuflößen. Der Werth des Elfen-
beins ist allein von der Form und dem Gehalt
der Zähne abhängig. Die größten sind nicht
etwa die werthvollsten, sondern die inöglichst
gleichmäßig starken, vollen Zähne, aus denen
Billardbälle angefertigt werden, dieselben wer-
den per Frasila (34 Pfund) fast doppelt so
hoch bezahlt wie andere Zähne. Das in Lindi
verkaufte Elfenbein stammt zum größten Theile
aus den Jao-Ländern am Ostufer des Nyassa-
Sees; es ist jedoch anzunehmen, daß ein großer
Theil und besonders die größeren Zähne aus den
noch wenig erforschten Gebieten am Bangweolo-
und Meru-See stammen, da die Länder südlich
des Nowuma ziemlich dicht bevölkert sind und
die gewaltigen Dickhäuter infolge dessen immer
mehr zurückgedrängt werden. In den weiten
Steppen des Wangindo= und Wakua-Landes
zwischen dem Nyassa-See und der Küste sind