Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

annehmen kann, daß die alten Karawauen- 
straßen die natürlichen Kanäle für den Waaren- 
austausch in Afrika bilden, so bieten diese 
Handelsverbindungen, welche schon seit Jahr- 
zehnten bestehen, doch eine gewisse Gewähr, 
daß es der wachsenden Konkurrenz nicht so 
leicht gelingen wird, den Handel von diesen 
Straßen abzulenken. Die Handelsbeziehungen 
von Lindi gehen ebenso wie die von Kilwa 
weit über die Grenzen der deutschen Interessen- 
sphäre hinaus und erstrecken sich bis zum Süd- 
und Westufer des Nyassa-Sees und bis zu 
den Gebieten am Bangweolo= und Meru-Sce. 
Die Karawanen, welche ihre Produkte an die 
Küste bringen, werden nach den Namen der 
einzelnen Häuptlinge unterschieden, aus deren 
Gebiet sie stammen. Die bekanntesten Wanindi- 
und Jao-Chefs (die bedeutendsten Völker- 
schasten, welche mit Lindi Handelsbeziehungen 
unterhalten) sind Makanjila, Mataka, Mpondu, 
Mtarika und Mkalanje, welche sämmtlich ihren 
Sitz am Nyassa-See haben. 
Araber-Kolonien existiren am Nord= und 
Westufer des Sees nur in sehr geringer An- 
zahl; einen bedeutenden Einfluß im Seegebiet 
besitzt nur ein Araber, der an der Küste unter 
dem Namen Jumbe bekannt ist; seinen wahren 
Namen habe ich nicht in Erfahrung bringen 
können. Derselbe ist vor etwa 20 Jahren aus 
Pangani ausgewandert und hat sich am West- 
ufer des Nyassa-Sees niedergelassen. Durch 
seine ausgedehnten Handelsverbindungen hat 
er einen bedeutenden Einfluß in allen politischen 
Angelegenheiten des Seengebietes, welchen er: 
in früheren Jahren in empfindlichster Weise 
gegen die Handelskonkurrenz der schottischen 
Seengesellschaft geltend machte. 
Die mächtigsten Häuptlinge im Fluß-- 
« und 
Makanjila, dieselben senden jährlich je sechs 
Karawanen mit Elfenbein und Tabak nach der 
gebiete des Nowuma sind Mataka 
Küste; ihre Karawanenjührer, welche alle Jahre 
wiederkommen, sind sowohl an der Küste wie 
im ganzen Scengebiet, wo sie Elfenbein auf- 
kaufen, einflußreiche Persönlichkeiten. Von ihnen 
war Soliman Kassugulu einer der Hauptführer 
des Aufstandes in Kilwa; er soll bei der Er- 
oberung der Stadt gesallen sein, jedenfalls ist 
er seit dieser Zeit an der Küste nicht mehr 
gesehen worden. Der Sohn des Häuptlings 
Makanjila, Makomadi, wurde im Jahre 1890 
in einem Kriege mit der englischen Seen- 
gesellschaft getödtet. Mtarika ist einer der 
mächtigsten Häuptlinge der Wagoni am Lujende 
und oberen Rowuma; er ist der einzige Jao- 
Chef, welcher die Küste selber besucht hat und 
dort persönlich bekannt ist, er schickt nur wenig 
Elfenbein, aber große Quantitäten von Tabak 
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an die Küste, welcher hier wegen seines reinen 
und milden Geschmacks sehr geschätzt wird. Die 
einheimische Tabakskultur muß, nach dem großen 
Export zu urtheilen, im südlichen Seengebiet 
sehr ausgedehnt sein. Die eigenthümliche Be- 
arbeitung der Blätter macht den einheimischen 
Tabak jedoch für Europöer gänzlich ungenieß- 
bar. Bevor die Tabakspflanze Blüthen an- 
setzt werden die Blätter abgepflückt und an der“ 
Sonne getrocknet, sobald dieselben eine braune 
Farbe angenommen haben, werden sie in Wasser 
eingeweicht und zerstampft. Aus dieser teig- 
artigen Masse formen die Eingeborenen kleine 
Kuchen von 20 cm Durchmesser, welche sie an 
der Sonne trocknen lassen und dann in kleinen 
Bündeln zu 10 und 20 Stück auf den Markt 
bringen. Dieser Tabak ist an der ganzen Küste. 
und auf den Sansibar--Inseln sehr beliebt und 
wird theils gekaut, theils aus kurzen Pscifen 
geraucht. Zu Schunpftabak werden ganz be- 
sondere Arten verwendet. Der Tabakskonsum 
ist in dem Küstengebiete ein sehr großer und 
hat für den Handel einc ziemliche Bedentung. 
Im Jahre 1890 wurden in der Hauptkarawa- 
nenzeit von Juni bis September 11340 Pfd. 
Tabak in Lindi auf den Markt gebracht. Außer 
Tabak kommt nur noch Elfenbein aus dem 
Innern. 
Der Elfenbeinhandel, welcher in früheren 
Jahren gegen den Export von Kilwa nur un- 
bedentend war, hat sich seit dem Jahre 1891 
bedeutend gehoben. Dies ist wohl zum größten 
Theil auf die stabileren politischen Verhällnisse 
an der Küste zurückzuführen. Einen nicht un- 
bedeutenden Einfluß auf die günstige Gestaltung 
der Handelsverhältnisse muß dem früheren 
Distriktschef zugewiesen werden, welcher es ver- 
standen hat, nach den früheren unruhigen Zeiten 
den Eingeborenen wieder Vertrauen zur Re- 
gierung einzuflößen. Der Werth des Elfen- 
beins ist allein von der Form und dem Gehalt 
der Zähne abhängig. Die größten sind nicht 
etwa die werthvollsten, sondern die inöglichst 
gleichmäßig starken, vollen Zähne, aus denen 
Billardbälle angefertigt werden, dieselben wer- 
den per Frasila (34 Pfund) fast doppelt so 
hoch bezahlt wie andere Zähne. Das in Lindi 
verkaufte Elfenbein stammt zum größten Theile 
aus den Jao-Ländern am Ostufer des Nyassa- 
Sees; es ist jedoch anzunehmen, daß ein großer 
Theil und besonders die größeren Zähne aus den 
noch wenig erforschten Gebieten am Bangweolo- 
und Meru-See stammen, da die Länder südlich 
des Nowuma ziemlich dicht bevölkert sind und 
die gewaltigen Dickhäuter infolge dessen immer 
mehr zurückgedrängt werden. In den weiten 
Steppen des Wangindo= und Wakua-Landes 
zwischen dem Nyassa-See und der Küste sind
	        
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